Die Geschichten

Ein Hoch Auf Die Phantasie!

Die Präsenz von Michael Ende ist in seinem Geburtsort noch lebendig spürbar. Dafür verantwortlich ist vor allem Georg Büttel, künstlerischer Leiter des Kultursommers Garmisch-Partenkirchen und Mitbegründer der Phantastischen Gesellschaft, die es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, das Werk des beliebten (Kinderbuch-)Autors zu fördern. 

Ein Spaziergang durch den Michael-Ende-Kurpark in Garmisch-Partenkirchen ist wie ein Querschnitt durch seine berühmtesten Werke: Man kann auf den Grasrücken von Morla, der Schildkröte aus der „Unendlichen Geschichte“, klettern oder im Amphitheater aus „Momo“ Platz nehmen. Man kann seinen Weg durch das Rasenlabyrinth unter der großen Linde, die der Autor vor Jahrzehnten selber gepflanzt hat, finden und im magischen Kräutergarten durch wilde Hexenkräuter, Zauberblumen und Duftgewächse streifen. Man kann die Goldfische im Seerosenbrunnen beim Schwimmen beobachten und sich von Fabelwesen-Statuen wie dem Einhorn oder der geflügelten Echse in eine Phantasiewelt entführen lassen. Der berühmte Schriftsteller, der mit Büchern wie „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, „Die unendliche Geschichte“ und „Momo“ Kinder wie Erwachsene weltweit in den Bann seiner Phantasiewelten gezogen hat, hat in seiner Heimat Spuren hinterlassen. Und das ist unter anderem Georg Büttel, dem Leiter des Garmisch-Partenkirchener Kultursommers zu verdanken. Erstens hat er seit 2003 die künstlerische Leitung des Festivals inne, das das Erbe eines ihrer größten Künstlers jedes Jahr wieder aufleben lässt. Und zweitens ist der deutsche Autor und Regisseur einer der Gründer der „Phantastischen Gesellschaft“, die sich all den Geschichten widmet, die Michael Ende erzählt hat und von denen er selbst sich inspirieren ließ: „Alles, was Michael Ende für gut befunden hat und was den phantastischen Kosmos bedient, findet hier seinen Platz“, so Georg Büttel. 

Dieses Jahr ist wieder ein Momo-Jahr. Die Geschichte des kleinen Mädchens, das so gut zuhören kann und sich mit den grauen Herren, die die Zeit stehlen, anlegt, ist einer der großen Klassiker der (Jugend)Literatur; sein Stoff so aktuell wie eh und je: Der „Zeit ist Geld“-Gedanke und viele weitere Reflexionen zum Thema Zeit wie jene der Relativität („Jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen – je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt“) oder die ständige Suche nach dem großen Glück, die auf Kosten des Moments geht („Das Gefährlichste sind Wunschträume, die in Erfüllung gehen“) werden in der Geschichte abgehandelt. „Es ist erstaunlich, wie viel der Michael Ende über Zeit wusste und in Momo verarbeitet hat“, sagt Georg Büttel. 

Bei der Inszenierung achteten er und Regiepartner Gaston Florin darauf, den Zusehern „Raum zum Imaginieren zu geben und ihnen nicht eine Illusion draufzuballern“. Das Stück sei demnach keine große Illusionsshow, wie er sagt, sondern vielmehr eine ausdrucksstarke Aufführung mit minimalistischem Bühnenbild, das Raum lässt für die Phantasie des Zusehers. „Die wahren Abenteuer sind im Kopf“, sang schon André Heller in den 1970er Jahren – etwa zur selben Zeit, als Georg Büttel, damals noch Schulkind, seine ersten Michael Ende-Erfahrungen machte. „Immer wenn ich von der Schule nach Hause gekommen bin, hab ich den Schulranzen in die Ecke geschmissen, gesagt ich kann erst in einer Stunde was essen und bin rauf in mein Zimmer um zu lesen – und da war auch oft Michael Ende mit von der Partie“, erzählt Georg Büttel, der den Autor auch mal persönlich kennen gelernt hat, als Michael Ende seiner Schule einen Besuch abstattete: „Er hat die Schüler in keiner Weise lehrer- oder onkelhaft behandelt, sondern von Gleich zu Gleich.“ Außerdem habe Georg Büttel damals auch eine andere Seite des Schriftstellers kennen gelernt, als er eine seiner Balladen rezitierte, und zwar jene vom Heldentod eines deutschen Offiziers – „das hat mich nachhaltig beeindruckt“. 

Die Weichen für die weitere Beschäftigung mit dem Autor wurden also schon früh gestellt – genauso wie später die Aufgabenverteilung im Rahmen des Kultursommers rasch klar war: „Als wir unser erstes Theaterstück, den Bunbury von Oscar Wilde, gemacht haben, sind wir ins Jugendzentrum marschiert und ich hab gesagt ‚Ich bin der Regisseur’, der Thomas Bruner hat gemeint: ‚Gut, dann mach ich die Bühne’, die Pe Hebeisen sagte sie kümmert sich um die Kostüme und spielt eine Rolle, die Angela Hundsdorfer war eine der Hauptdarstellerinnen und später sollte dann auch der Harry Helfrich spielen“, erinnert sich Georg Büttel an die Anfänge des Teams, das seit über dreizehn Jahren für kulturell spannende Sommermonate sorgt – und dafür, dass die wunderbaren Phantasiewelten von Michael Ende weiterhin immer wieder neu belebt werden. 

Michael Ende Kurpark

Text: Martha Miklin // friendship.is
Fotos: Florian Lechner // friendship.is

10. August 2017

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