Die Geschichten

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„Man muss scho a bissl verrückt sein“, sagen Hardi und Stefanie Wild über ihre Leidenschaft, den ultimativen Koffein-Kick zu perfektionieren.

Stellen wir uns vor: zwei Profisportler, noch dazu ein sehr charmantes Paar, auf der Suche nach dem nächsten Kick. Als der Eishockeytorwart Leonhard „Hardi” Wild und die Weltcupskirennläuferin Stefanie Wild sich von ihrer Karriere verabschiedeten, stellte sich die Frage nach einer neuen, mindestens ebenso energiegeladenen Herausforderung. Und die fanden sie in Form der ersten Kaffee-Rösterei in Garmisch-Partenkirchen. 
Best of the Alps trifft das eingespielte Team und lernt so einiges über die Kunst des Geschmack-Kultivierens und was die beiden sonst noch an verrückten Ideen in ihrem Heimatort verwirklichen möchten.

Ob im Rucksack als Wegproviant für die Tour auf den Osterfelderkopf unter der Alpspitze, dem Wahrzeichen von Garmisch-Partenkirchen, oder im Reisegepäck zwischen Bikini und Badehose, eine Packung Wildkaffee und der AeroPress Coffee Maker sind immer mit dabei. Denn ohne Leidenschaft geht bei Hardi und Stefanie Wild gar nichts. 
Wenn sie sagen, dass ihr Business nicht funktionieren würde, wenn sie es nur aus finanziellen Gründen machen würden, dann glaubt man ihnen. Besucht man die beiden in ihrer Rösterei in Garmisch-Partenkirchen, könnte man den ganzen Tag nichts anderes tun, als sich mit ihnen über Kaffee zu unterhalten. Und über ihre vielen Reisen in die Heimatländer der aromatischen Bohne. Die Frohnatur der beiden stecken an, man fühlt sich auf einen Schlag so richtig wohl in ihrer aufgeweckten Gesellschaft.
Auch von ihrem morgendlichen Ritual kann man sich etwas abschauen: In ihrer Rösterei angekommen, wird erst einmal kurz innegehalten und nachgefühlt, wie der heutige Tag denn so schmecken soll: fruchtig wie Kenia, schokoladig wie Brasilien oder doch nach ein wenig Würze aus Guatemala?

Beim Sport hat man viel Zeit für Kaffee...

Kennengelernt haben sich Stefanie und Hardi mit 20 Jahren auf einem Trainingslager. Gemeinsamkeiten außer Sport haben sie viele, etwa die Liebe zu gutem Essen. Das merkt man zum Beispiel daran, dass Stefanie Hardi sein Pausenbrot nachbringt, als er uns durch die Rösterei führt. Hier erzählt er uns, worauf es ankommt: die grünen Bohnen so zu verarbeiten, dass man den gewünschten Geschmack erzielt – durch das perfekte Röstungsprofil, die richtige Dichte und den perfekten Feuchtigkeitsgrad. Da kann es schon mal vorkommen, dass Hardi sich durch 25 Espressi am Tag kostet. Das tägliche Training sei aber nötig, um den Geschmackssinn zu erhalten, weil es doch nicht so einfach ist die Nuancen herauszuschmecken. 
Stefanie erzählt, dass Hardi schon immer ein Kaffeefreak war. „Beim Sport hat man eben viel Zeit für Kaffee...“ grinst dieser.

Du, das machen wir jetzt

Durch die Passion für den Kaffee wurde auch ihr Wunsch immer stärker, ein eigenes Produkt, einen eigenen Kaffee zu verkaufen - bis sie schließlich den Entschluss fassten: „Du, das machen wir jetzt“. Wohl ein gut gewählter Zeitpunkt: „Dem Kaffee wird mehr Aufmerksamkeit gewidmet, junge Leute achten auf Qualität. Und man bezieht direkt vom Erzeuger im Ursprungsland - das finde ich alles gute Entwicklungen“, sagt Hardi. Deshalb reisen die Wilds viel und bilden auch da trotz Gegensätzen ein gutes Gespann. 
Während Hardi vielleicht gerne mal einfach drauflosfährt, reist Stefanie lieber gerne mit einem Plan. „Naja, ganz verplant bin i a wieder nit…“, kontert er auf seine sympathische bayrische Art, als er sich neben sie setzt.

Was sie von den Reisen sonst noch Schönes zurückbringen: „Man weiß die Dinge zu Hause wieder besser zu schätzen. Materielle Werte werden weniger wichtig, Familie und Freunde dafür aber mehr“, so Stefanie.
Dennoch sind die Tage in der Wildkaffee-Rösterei und in ihrem gleichnamigen Café in der Bahnhofstraße lang und arbeitsintensiv. Aber sie sind entschlossen, ihren Betrieb langsam wachsen zu lassen. Aus dem Sport bringen sie das nützliche Wissen um die Flüchtigkeit des Erfolges mit: „Wenn du meinst, du bist gut, dann kriegst du am nächsten Tag gleich die Retourkutsche”, sagt Hardi. Man lernt aber auch, im Team zu spielen. „Es ist ja meist so, dass nicht alle genau gleichzeitig einen Hänger haben. Dann kann einen der andere wieder hoch ziehen.” 
Was Stefanie und Hardi besonders freut, ist ihre Entdeckung, in die Fußstapfen von Hardis Urgroßvaters getreten zu sein, der in Hamburg vor mehr als 70 Jahren auch eine Kaffeerösterei betrieben hat.

Exotisches Garmisch-Partenkirchen

Es komme auf die gleichmäßige Bewegung an, erklärt Hardi, als er uns im ihrem „Wildkaffee“ einen handgemachten Filterkaffee brüht und das heiße Wasser in langsamen Kreisen über den Filter zieht. Es gibt, wie könnte es anders sein, bereits Apps, die das alles ganz präzise berechnen. Besonders aber kommt es auf die Qualität des Wassers an. Der optimale Wasserzustand sei 7 Grad deutscher Härte, sagt Hardi. „Die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen hat einen Härtegrad von 6.9, das ist perfekt für unseren Kaffee. Man könnte fast meinen, die haben das Wasser auf uns abgestimmt“, schmunzelt er. Und der Kaffee ist wirklich vorzüglich. 
Für den Ort wünscht sich das Paar noch viel mehr Leute, die individuelle Konzepte umsetzen: „Eine Brauerei wäre fein oder unsere eigene Milch.”

„In Burundi zum Beispiel”, erzählt Hardi, „gibt es jeden Samstagvormittag eine Laufstunde. Da darf kein Geschäft offen haben und es darf niemand arbeiten. Das könnten wir in Garmisch-Partenkirchen auch einmal einführen, so zum Spaß”, lacht er und deutet dann hinaus auf die Straße.
„Seht ihr, das ist Danny, from Canada, der bringt immer das Gemüse. Auch ein Eishockeyspieler, der ist hier hängengeblieben. Aber einen Akzent hat er noch immer, das ist seine Trademark.” Auch der Bildhauer Luis Höger schaut immer wieder vorbei, der mag es, wenn die Jungen im Ort etwas bewegen. Und plötzlich erscheint Hardis Idee ein Dorf zu mobilisieren auch gar nicht mehr so abwegig. Mit etwas Wildkaffee und ihrer unbändigen Leidenschaft wird ihnen auch das gelingen.

Text: Sandra Pfeifer
Fotos: David Payr // friendship.is

24. Oktober 2016

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