Ein Wenig Streiten Gehört Zum Spiel
Das Eisstockschießen hat Tradition in Garmisch-Partenkirchen. Jeden Winter versammeln sich die dörflichen Vereine zum freundschaftlichen Kräftemessen, und ein Eisstock aus der legendären Werkstatt Sedlmaier gehört dazu. Auch wenn es beim Mannschaftssport meist um das gesellige Zusammensein geht, erzählen Josef und Hans Sedlmaier Best of the Alps, warum zum Spaß auch ein bisschen Streiten gehört.
„Wenn der Staffelsee zufriert alle fünf Jahre, und der Landamtsrat beim Testbohren die vorgeschriebene 15cm dicke Eisdecke freigibt, dann geht’s hier voll zu“, sagt Josef Sedlmaier. Bei den Dorfmeisterschaften sind auf der Eisbahn von der Feuerwehr über den Schützenverein bis zu den Kindern alle vertreten. Für Josef Sedlmaier herrscht dann Hochsaison, denn jeder braucht einen seiner Eisstöcke. Übernommen hat er den Handwerksbetrieb von seinem Onkel Hans Sedlmaier, der ihn zusammen mit seiner Frau Helga Anfang der 1960er gründete. Die Dame des Hauses legt dabei beim Eisstockschießen der Damen die Latte hoch, denn sie war 10 Jahre lang in der Bundesliga aktiv und ist noch immer Turnierspielerin in der Oberliga.
Für den Neffen also eine Sache der Ehre, den Betrieb zu übernehmen, denn Eisstock Sedlmaier ist eine Institution – nicht nur in Garmisch-Partenkirchen. In ganz Deutschland gibt es insgesamt nur vier Hersteller von Eisstöcken, auf der ganzen Welt sind es acht. Aus der Perspektive eines traditionsreichen Nischensports gesehen also ein beachtliches Prestige. Und deshalb hat ein Eisstock aus der Werkstatt Sedlmaier in Garmisch-Partenkirchen fast so viel Tradition wie das Eisstockschießen selbst: Der örtliche Verein blickt heute auf eine 75-jährige Geschichte zurück.
Tradition am Eis
Nur wer es selbst einmal probiert hat, weiß, dass Eisstockschießen nicht so einfach ist wie es aussieht. Der Trick: Man muss jenen Stock, oder, im Fachausdruck, jene Daube fixieren, der bzw. die vorne auf der Bahn liegt. Hat man ein gutes Auge, dann trifft man auch gut, sagt Hans Sedlmaier. Aber es geht natürlich um die Technik, und die wird den ganzen Winter über perfektioniert. Indes erfordert das Handwerk der Sedlmaiers auch künstlerisches Geschick, denn Vereine oder Liebhaber wollen ihre Stöcke mit Wappen oder Mustern besonders hervorheben.
„Früher habe ich die Holzstöcke aus Birne oder Esche gemacht. Die Initialen wurden auf das Holz geklebt. Aber die Holzstöcke sind natürlich immer wieder kaputtgegangen“, erinnert sich Hans Sedlmaier, selbst ein begeisterter Schießer, über seine Anfänge im Jahr 1962. Als kleinen Nebenverdienst hat der gelernte Wagner die Holzstöcke damals gefertigt, die Ringe stammten vom benachbarten Schmied. Heute ist der Einmannbetrieb Sedlmaier offizieller Vertragspartner des internationalen Eisstockverbands und produziert nach dessen Richtlinien für den internationalen Turniersport. Die Eisstöcke sind auf fünf Kilogramm genormt und bestehen aus einer Lauffläche aus Gummi, Haube, Stiel und Griff.
„Es geht um die Gaudi“
Für ein spannendes Turnier ist eine Bahn am gefrorenen See deshalb besonders reizvoll, weil Natureis immer anders ist. Da kann der Stock schon mal hängenbleiben. Ein solches Spiel erfordert Talent und erhöht den Spaßfaktor. Denn es geht letztendlich um die Gaudi und manchmal als Preis um eine typisch bayrische Hartwurst, auch wenn sich das eingespielteste Team wegen eines verpassten Treffers schon auch mal in die Haare kriegt. „Beim Mannschaftssport müssen schon alle zusammenpassen, aber das Streiten gehört auch dazu“, lacht Hans Sedlmaier.
Früher wurde oft an am malerischen Pflegersee oder am Riessersee gespielt. Letzterer gilt als die Wiege des bayrischen Eissportes und ist die Heimat des Garmischer Eishockeyclubs SC Riessersee. Turniere hingegen laufen nach strengen Regeln ab. „Da geht es richtig genau zu, man trägt gleiche Anoraks, es darf nur einer vorangehen beim Schießen, und man darf nicht sprechen“, erzählt Josef Sedlmaier. Und was braucht man sonst noch, um am Eis gut dazustehen? „Gscheite Schuhe (damit sind Eisstockschuhe gemeint), denn nur wenn du einen guten Stand hast dann triffst du auch gut.“ Handschuhe sind nach einer unbeschriebenen Regel nicht erlaubt, denn Eisstockschießen ist ja schließlich ein Wintersport: Da gehören kalte Finger eben dazu – und ein wärmender Glühwein.
www.eisstock-sedlmaier.de
Text: Sandra Pfeifer
Fotos: David Payr, Reinhard Lang // friendship.is
11. Mai 2017