Die Geschichten

„Im Rennen Haut Es Sie Dann Ohnehin Wieder Auf“

Die Bobbahn Riessersee erlebt dank Rolf Lehmann im Winter endlich ihren zweiten Frühling.

Im Februar 1910 war es so weit, die ersten Bobschlitten schossen die Bahn am Riessersee hinunter. Was in den Schweizer Alpen mit ein paar verrückten Briten begann, fand schnell seinen Weg in das benachbarte Deutschland. Junge Männer, die in Stahlkonstruktionen und mit einem Höllentempo die Hänge hinabschießen.

Rolf Lehmann war einer dieser jungen Männer. Zwar erst gut 60 Jahre später, aber nicht minder schnell. Jetzt ist Lehmann Vorstand der Bobabteilung des SC Riessersee und dafür verantwortlich, dass der Bobsport in Garmisch-Partenkirchen wieder eine Heimat hat.

„Die Idee hatten wir bereits 2007, doch dann kam uns ein Jahr später die Wirtschaftskrise dazwischen und viele Sponsoren sind wieder abgesprungen“, erzählt Rolf Lehmann von den Anfängen der Wiederbelebung der Olympia-Bobbahn am Riessersee. 2013 war es dann jedoch so weit. 46 Jahre nach dem letzten Bewerb – einer Europameisterschaft im Zweierbob – wagte sich wieder jemand die Bahn hinunter. Es war Lehmann selbst, der die erste Testfahrt machte: „Wir mussten sie ja erst einmal selbst ausprobieren, bevor wir da jemand anderen fahren lassen konnten.“ Doch vor diesem Lauf gab es für das Team aus Freiwilligen viel Arbeit.

Handarbeit

Im Herbst 2012 wurde der untere Teil der Bahn komplett mit einer Bande aus Holz verbaut. Nachdem im Dezember bereits viel Schnee gefallen war, machten sich die Mitglieder der SCR-Bobabteilung an die Präparierung der Strecke. „Man musste erst einmal die nötige Dichte im Schnee hinbekommen, um anschließend vereisen zu können“, erklärt Lehmann. Dazu wurde der Schnee zusammengepresst. Auf den Geraden mithilfe einer Walze, in den Kurven allerdings musste es von Hand gemacht werden. „Wenn der Schnee nicht kompakt ist, kannst du Wasser spritzen so viel du willst. Das sickert einfach durch und wird so nie zu Eis.“ Die schnellen Kurven wurden wieder mit Holzplanken und Eis aufgebaut – bis zu zweieinhalb Meter hoch. Dann kam das Tauwetter. „Plötzlich war die Bayern-Kurve gut eineinhalb Meter tiefer als vorher. Die ganze Arbeit war umsonst und wir mussten wieder von vorne beginnen.“ Wenn Rolf Lehmann diese Geschichte erzählt, ist er nicht voller Ärger, sondern seine Augen strahlen. Er ist kein Mensch, der aufgibt, das sagt er selbst.

Vom Leichtathleten zum Bobfahrer

Seine Begeisterung für den Bobsport entfachte mit 19 Jahren. Damals war Lehmann Leichtathlet und der Bobverein auf der Suche nach neuen Sportlern. „Nach den Olympischen Spielen von Sapporo 1972 hatten viele aufgehört, da haben sie halt mich gefragt, ob ich es nicht einmal probieren will.“ Lehmann probierte es und wurde auf Anhieb Juniorenmeister im Zweierbob. Später stieg er auch in den Vierer – erst nur als Anschieber und später dann selbst als Lenker. „Ich habe meinem Fahrer immer so viel reingeredet, dass er irgendwann gesagt hat, dass ich doch selber fahren soll“, lacht er.

Die Freude am Sport blieb ihm über all die Jahre erhalten. Umso glücklicher war Lehmann dann, als sich am 16. Februar 2013 all die Bemühungen bezahlt machten. Dreizehn Dreierteams in alter Rennkleidung und eigens dafür gebauten Bobschlitten bewältigten die 1000 Meter lange Bahn und fuhren durch den Kilian-Looping, die Bayern-Kurve und die See-Kurve bis ins Ziel. Im Jahr darauf fand wieder ein historischer Bewerb statt und im Februar 2015 waren die Red Bull Bob Heroes zu Gast. 2.500 Menschen wollten dabei zusehen, wie sich die Teilnehmer in selbstgebauten Bobs um die Bestzeit matchen.

Sport für Jedermann

Aufgrund der aufwendigen Präparierung hat man sich beim SC Riessersee dazu entschlossen, nur mehr alle zwei Jahre ein Rennen zu veranstalten. Höhepunkt soll die Austragung im Jahr 2021 sein. Da feiert der SCR sein 100-jähriges Jubiläum: „Wir wollen, dass jeder hierherkommen und das Ganze einfach mal ausprobieren kann. Ganz egal, ob er davor schon etwas mit Bobsport am Hut gehabt hat oder nicht“, sagt der Vorstand der Bobabteilung. Die Schmalspurbobschlitten werden vom Club zur Verfügung gestellt. Zwei Trainingsläufe ohne Sturz muss jedes Dreierteam schaffen, bevor es beim Bewerb an den Start gehen darf. „Im Rennen haut es sie ohnehin auf“, lacht Lehmann und freut sich fast ein bisschen, dass die alte Bahn den jungen Sportlern alles abverlangt.

Die Fotos wurden beim Historischen Bobrennen im Februar 2017 aufgenommen.

Historische Bobbahn 

Text: Harald Triebnig // friendship.is
Fotos: Reinhard Lang + Florian Lechner // friendship.is

10. August 2017

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