Die Geschichten

Ein Neunereisen Für Den Präsidenten

Manchmal ist ein Golfplatz nicht nur ein Golfplatz, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte.

Die Golfanlage Werdenfels in Garmisch-Partenkirchen zählt zu den ältesten und – mit dem spektakulären Panorama von Alpspitze und Zugspitze im Hintergrund – wohl auch zu den schönsten Golfplätzen in Deutschland. Erbaut wurde die selektive Neun-Loch-Anlage am Fuß der alten Burgruine im Jahr 1930, mitten in der Großen Depression, um den Tourismus in der Region wieder anzukurbeln. Nach dem Kriegsende 1945 stand der Platz unter der Kontrolle der US-Streitkräfte, die in der Artillery-Kaserne in Garmisch stationiert waren. Erst nach und nach durften die einheimischen Golfer den Platz wieder mitbenutzen.

Peter Maninger ist sechs Jahre alt, als die Amerikaner die Anlage übernehmen. Golf wird einmal eine dominante Rolle in seinem Leben spielen: Zwei Mal wird er bayrischer Meister werden, auf dem Platz wird er Freundschaften knüpfen und seine zukünftige Frau kennenlernen. Seine Golflaufbahn beginnt er aber wie viele andere damals auch: als Caddie für die amerikanischen Soldaten.
„Für uns Kinder war das eine super Sache, den amerikanischen Spielern die Taschen zu tragen“, erinnert sich Maninger mit einem Lächeln. Als Lohn gab es ein Stück Schokolade, eine Cola oder Kaugummi – Dinge, die man in der Nachkriegszeit sonst kaum bekam. Und eine Zigarette für den Vater.

Von den amerikanischen Spielern konnte man einiges lernen. Viele der Soldaten waren in den Staaten professionelle Golfer gewesen, bevor sie in die Armee eingezogen wurden. Was sich die Kinder von den „Amis“ abschauten, probierten sie in den Wiesen neben dem Platz aus. „Wir haben uns mit dem Rasenmäher der Eltern einfach ein Grün ausgeschnitten und ein paar Löcher gebaut.“ Peter Maningers erster Schläger war eine abgesägte Eishockeylatte, die ihm ein Freund entsprechend zuschnitzte. Erst später habe er von einem Amerikaner ein altes Eisen bekommen, als Dank für seine Dienste als Caddie. 

Man merkt, dass Peter Maninger sich gerne an seinen Job als Taschenträger zurückerinnert. „Ich möchte diese Zeit nicht missen“, sagt er. Viele der Golfer, die er damals als Caddie kennenlernte, habe er Jahre später in Amerika wieder getroffen, manche Freundschaften bestünden bis heute. 
Unter den Amerikanern, die in der Besatzungszeit in Garmisch-Partenkirchen spielten, waren nicht nur einfache Soldaten. In den 50er-Jahren habe auch der als leidenschaftlicher Golfer bekannte Dwight D. Eisenhower den Golfplatz in Werdenfels regelmäßig besucht, erzählt Maninger fast nebenbei, und ja, er habe ihm die Tasche getragen. Sehr freundlich sei er gewesen, der Präsident, ein bisschen reserviert vielleicht, aber freundlich. Und als Golfer? „Mittelmäßig. Aber für einen Politiker nicht schlecht.“ 

Im Jahr 1958, mit 18 Jahren, trat Maninger dann selbst demGolfclub Garmisch-Partenkirchen bei. Die Zahl der deutschen Mitglieder war damals noch auf 70 beschränkt: „Wir waren eigentlich nur geduldet. Das hat natürlich zu einer gewissen Unzufriedenheit geführt“, erinnert er sich. Schon in den 60er-Jahren sei deshalb die Idee entstanden, einen eigenen Platz zu bauen. Nach ein paar Jahren der Suche nach einem passenden Gelände fand man 1974 schließlich in Oberau, zehn Kilometer nördlich von Garmisch-Partenkirchen, eine neue Golfheimat. 

Die folgenden 25 Jahre saß Peter Maninger im Vorstand des Clubs. Als Planer war er maßgeblich daran beteiligt, dass der neue Platz, der ursprünglich wie in Werdenfels als Neun-Loch-Anlage gebaut worden war, im Jahr 1990 auf 18 Löcher erweitert wurde. Einerseits stand eine sportlichere Ausrichtung im Vordergrund: „Neun Löcher entsprachen einfach nicht mehr dem internationalen Standard.“ so Maninger. Andererseits habe man bei der Neugestaltung darauf geachtet, auf einen anstrengenden Auf- und Abstieg zu verzichten, sodass der Platz auch für Tagesbesucher und Touristen interessant blieb. 

Doch auch der alte Platz in Werdenfels blieb bestehen. „Nicht alle Mitglieder des Golfclubs Garmisch-Partenkirchen wollten damals nach Oberau gehen”, erzählt Rolf Lehmann. Ein Teil der Mitglieder gründete 1974 deshalb den neuen Golfclub Werdenfels, dem Lehmann heute als Präsident vorsteht. Jahrelang spielte man danach mit den Amerikanern Seite an Seite, bevor die US-Regierung den Platz 2013 nach langen Verhandlungen schließlich an Deutschland zurückgab.

Manche Teile des ursprünglichen Platzes sind auch heute noch erhalten. „Das Grün auf dem neunten Loch stammt noch aus dem Jahr 1930", erzählt Lehmann. Auch der alte schöne Baumbestand aus Birken, Kiefern und Ahornbäumen habe die Jahre größtenteils überdauert. Andere Bereiche wie das Abschlaghaus wurden unter tatkräftiger Mithilfe der Mitglieder erweitert und an moderne Anforderungen angepasst. In Werdenfels entschied man sich dezidiert gegen eine Erweiterung auf 18 Löcher. Denn ein kurzer Kurs habe auch Vorteile: „Neun Löcher sind auch nach der Arbeit leicht in zwei oder drei Stunden machbar. Und danach kann man sich im Clubhaus noch zusammensetzen.”

Diese Geselligkeit ist etwas, das Lehmann besonders wichtig ist. „Ohne Geselligkeit kann ein Golfplatz wie unserer gar nicht existieren. Einen 9-Loch-Platz auf Kommerz auszurichten ist sehr schwierig”, sagt er. Auf dem Golfplatz Werdenfels – und im Clubhaus danach – sei schon so manche Freundschaft entstanden. Auch einige Mitglieder aus der amerikanischen Gemeinde kämen nach wie vor gerne vorbei auf eine Partie Golf – oder einfach nur, um mit den deutschen Kollegen ein kühles Helles zu genießen.

Text: David Schwarzenbacher // friendship.is
Photos: Florian Lechner // friendship.is

10. August 2017

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