Die Geschichten

Sich Den Dingen Fügen

Wie sich Künstler Daniel Kocher an der Natur erfolgreich vor den Kopf stößt.

Daniel Kochers künstlerische Kollaboration mit der Natur für den Grünen Ring, einer atemberaubend schönen 3-Tages-Wanderstrecke von Zürs über Zug nach Lech, kann man wohl auch als eine ganz persönliche Heldenreise zusammenfassen. 
Der visionäre Bildhauer, der in die Alpen hinauszog um Großes zu vollbringen, musste sich erst einmal in Demut üben. Eine Erfahrung die ihm letztendlich dabei half über sich hinauszuwachsen, wie er meint.

Du bist seit 2009 für die künstlerische Leitung des Grünen Rings verantwortlich, einer Entdeckungsreise in die Geschichte und Gegenwart der beeindruckend malerischen Landschaft rund um Lech Zürs. Dabei lernt man auch deine ebenso gigantischen wie originellen Skulpturen kennen: Da gibt es den sagenumwobenen Taurin, die Lecher Mauer, ein Postkastl und die bekannte Wasserscheide. Kunst und Tourismus, wie passen die beiden zusammen?

Daniel Kocher: Ich finde, ich kann mich im Tourismus als Künstler oftmals freier bewegen als in einer kommerziellen Galerie, weil ich mich besser einbringen und die Aufmerksamkeit gezielter auf Nachhaltigkeit lenken kann.

Wie unterscheidet sich die Arbeit draußen in der Natur im Vergleich zum geschlossenen Raum?

Daniel Kocher: Man wird zum Pragmatiker. Ich habe mir am Anfang alles leichter vorgestellt. Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass ich meine Ideen auf das fordernde hochalpine Gelände abstimmen und die Kräfte der Natur von Wind bis Schnee miteinbeziehen muss. Alles, was nicht stabil gebaut ist, ist nicht nachhaltig, weil es nach einem Jahr kaputt geht. Man muss sehr organisiert arbeiten und vorausdenken, angefangen von der wetterfesten Kleidung und der Jause die man selber braucht. 
Der Außenraum Natur ist einfach riesig. Deshalb müssen Skulpturen, wie der Taurin, eine gewisse Größe haben, um Aufmerksamkeit zu erregen. Als wir ihn montiert haben, wirkte er wie ein Fremdkörper im Massiv. Erst nach ein paar Jahren hat man sich mit ihm richtig angefreundet und ihn als Teil des Ganzen akzeptiert.

So wie mit dem bekannten Stein auf dem Weg nach Lech Zürs?

Daniel Kocher: Auf den bin sehr stolz. Geplant war für diesen Hügel der mit seiner wunderschönen Form aussieht wie ein Brotlaib eigentlich eine Wasserscheide. Ich wollte daraus eine Scheibe herausschneiden und habe bereits Schalungen planen lassen. Dann sind wir bei der Sprengung auf Stein gestoßen und nicht auf Erde wie gedacht. Ich war am Anfang total verzweifelt über das unerwartete Ergebnis. Die Schalungen waren bereits fertiggestellt. Aber im Endeffekt war die Skulptur schon da, ich musste sie nur noch herausschälen. Ich finde es einfach irrsinnig schön, wie das Kunstwerk aus der Natur entstanden ist.

Also zeigt einem die Natur vor, was geht und was nicht?

Daniel Kocher: Absolut. Sie weist letztendlich auf das Bessere. Bei der Wasserscheide dachte ich mir, dass ich in die ewige Bildhauerhölle komme, wenn ich den Stein nicht so belasse. Ich habe nur etwas Zeit gebraucht, um mich damit abzufinden, dass ich etwas (die Schalungen) umsonst gemacht habe. Die Natur wehrt sich aber nicht immer so charmant wie bei der Wasserscheide.

Wie hat dich das geprägt?

Daniel Kocher: Damals war ich noch zu ehrgeizig. Heute stehe ich zu dem Thema etwas anders als vor sechs Jahren. Wenn ich Konzepte in die Hand kriege, muss ich oft lachen. Am Schreibtisch funktioniert immer alles perfekt. Aber dann mit der Natur symbiotisch arbeiten heißt, dass man auf sie eingeht und nicht einfach arrogant die eigenen Dinge durchboxt, denn nur so hilft sie einem weiter.  Deshalb war die Wasserscheide eine für mich sehr lehrreiche Erfahrung.

Inwiefern?

Daniel Kocher: Ich bin schon ein dominanter Mensch, erwarte, dass alles so passiert wie ich will. Aber die Natur hat mir gezeigt, dass eben nicht alles so funktioniert, wie der Kocher es will.

Was willst du mit deinen Werken im Grünen Ring vermitteln?

Daniel Kocher: Die Leute dort abzuholen, wo sie abgeholt werden wollen: in der Natur. Wenn man sich ganz offen und mit allen Sinnen auf den Weg einlässt, dann wird es ein wirklich schönes Erlebnis. Wie der Name, Grüner Ring, schon verrät, setzen wir auch Zeichen in Sachen sanften Tourismus: ohne Superlative aber mit Highlights anderer Art, wenn man sich eben mit einer gewissen Sensibilität auf den Weg macht. Denn im Grunde geht es um Entschleunigung.

Bist du jemand, der im Moment ruht? 

Daniel Kocher: Hmm, wohl eher der Gehetzte würde ich sagen…

Was verbindest du mit den Bergen?

Daniel Kocher: Sie sind zu hundert Prozent echt. Draußen in den Bergen ist immer die Natur der Regisseur. 
Bei der Recherche für den Grünen Ring bin ich bei Regen oft unter einem Baum gesessen, habe Notizen gemacht und mich damit abgefunden, dass ich eben einmal nicht das machen kann, was ich eigentlich für diesen Tag geplant hatte. Es hat etwas Befreiendes. Man kann sich auch einmal den Dingen fügen und sich treiben lassen. Das lehrt einen Demut, man lernt, sich selber nicht so wichtig zu nehmen. Wenn man sich auf das Gesamte konzentriert, dann nimmt man sich auch als Mensch ganz anders wahr. Und das ist eine sehr schöne Erfahrung.

Text: Sandra Pfeifer
Foto: David Payr // friendship.is

26. April 2017

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