Keine Filmreife Romanze
Die Familiengeschichte der Hubers klingt nach einer filmreifen Lovestory in der jede Menge Klischees bedient werden. Auf den zweiten Blick lassen sich diese aber schnell beseitigen. Für einen Ort wie Lech ist die Familie Huber dennoch ein Glücksfall.
Die Geschichte von Wolfgang und Julia Huber kann man in der Kurzfassung so erzählen, dass sie tatsächlich nach einer filmreifen, mit sämtlichen Klischees gespickten Liebesgeschichte klingt: Deutsche Juristin kommt zum Skifahren nach Lech, verliebt sich in den Skilehrer/Bergbauern, bricht ihre Zelte in Deutschland ab und zieht in die Berge, um dort auf dem Hof mitanzupacken. Im Grunde genommen ist das nicht mal falsch. Nur fehlen ein paar Details, durch die die Geschichte nicht mehr ganz so klischeehaft klingt. Weniger spannend wird die Geschichte dadurch übrigens nicht. „Auch wenn viele Leute lieber die romantisierte Version hören möchten“, lacht Julia Huber, die eingangs erwähnte deutsche Juristin.
Zum einen darf man sich Julia nicht als Büromensch und Stadtkind vorstellen. Schon als Kind suchte sie die Nähe zu Tieren und der Natur. Und es war auch nicht ihr erster Besuch in Lech, bei dem sie Wolfang kennen lernte (der übrigens nicht ihr Skilehrer war. Der Kontakt entstand über gemeinsame Bekannte). Und nicht zuletzt hat Julia ihre Zelte in Deutschland nicht Hals über Kopf abgebrochen, sondern ist erstmal ein Jahr gependelt. Einen Schnulzenroman können wir an dieser Stelle also nicht bieten – dafür zwei hochspannende Menschen, die mit viel Enthusiasmus den seit 350 Jahren bestehenden Bauernhof weiterführen, daneben jeweils noch einen zweiten Beruf haben und dem Ort sehr verbunden sind.
Neben der Arbeit auf dem Hof ist Wolfgang seit beinahe 30 Jahren als Skiführer tätig. Es ist hier vor allem der Austausch mit Menschen aus unterschiedlichsten Ländern und mit verschiedensten Charakteren, den er – abgesehen von der Natur – besonders genießt: „Dabei ergeben sich oft irrsinnig interessante Gespräche, die dich dazu bringen über Dinge nachzudenken, über die du sonst nie nachdenken würdest. Das ist irgendwo auch wichtig, damit man nicht mit Scheuklappen durch die Gegend rennt und nur noch in eine Richtung sieht.“ Julia arbeitet nach wie vor als Juristin für ein deutsches Unternehmen. Während sie zu Beginn noch zwischen Bayern und Lech gependelt ist, hat sie ihren Arbeitsplatz mittlerweile gänzlich ins Home Office nach Lech verlegt.
Dennoch merkt man den beiden gut an: Die große Leidenschaft ist der Hof. So war es für Wolfgang immer schon klar, dass er diesen eines Tages übernehmen wird: „Ich habe zwar nach der Hauptschule die HTL für Maschinenbau gemacht, weil ich noch eine Ausbildung absolvieren wollte, aber mir war immer klar, dass mein Beruf Landwirt sein wird.“ Ihm geht es auch darum, das Lebenswerk der vorigen Generation weiterzuführen: „Irgendwie sehe ich das als meine Aufgabe – die ich sehr gerne übernommen habe.“ Und auch Julia ist mittlerweile in ihren „neuen Beruf“ hineingewachsen: „Mir taugt die körperliche Arbeit. Acht Stunden im Büro zu sitzen könnte ich mir nicht mehr vorstellen. Und weil man sich während der Arbeit im Stall nicht wirklich unterhalten kann, hat man dort gut Zeit zum Nachdenken.“
Dass heimische Produzenten, nicht nur im Bereich Lebensmittel, für einen Ort wie Lech enorm wichtig sind, davon sind Julia und Wolfgang überzeugt. Abgesehen davon, dass regionale Produkte bei vielen Gästen sehr gefragt sind, betont Wolfgang auch die Bedeutung für den Ort selbst: „Es ist unglaublich wichtig für die Dorfgemeinschaft, dass es Menschen gibt, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben und sich voll und ganz mit dem Ort identifizieren.“ Von den Kühen der Familie Huber kommt beispielsweise die Milch, mit dem der örtliche Bäcker Martin Walch sein köstliches Heumilcheis produziert. Darüber hinaus werden auch verschiedenste heimische Hotels beliefert.
Was den einen oder anderen aber vielleicht überraschen wird: Die Lebensmittelproduktion sehen Wolfgang und Julia nicht als Hauptaufgabe eines Bergbauern. „Im Berggebiet ist das vorrangige ‚Produkt’ eines Landwirts die Landschaftspflege“, erklärt Wolfgang. Dazu zählt beispielsweise das Pflegen der Wiesen und Bewirtschaften der Alpen. „Das sind Aufgaben, die gerade für den Tourismus einen enormen Stellenwert haben, aber vielfach gar nicht wahrgenommen werden“. Julia ergänzt: „Und wir haben keine einzige Fläche, bei der man sich einfach in die Maschine setzt und hin und her fährt. Sehr vieles ist Handarbeit.“
Beschweren wollen sich die beiden aber keineswegs, schließlich haben sie in Lech all das, was sie für ein glückliches Leben brauchen. „Wir leben in einer wunderbaren Umgebung und haben Berufe, die wir mit viel Leidenschaft und Idealismus ausüben.“ sagt Julia. Für Wolfgang war es sowieso nie denkbar woanders zu leben. Auch für Julia ist es mittlerweile unvorstellbar geworden. Im Herzen ist sie nun eine „Lecherin“. Und das ist auch gut so. Denn Menschen wie Wolfgang und Julia Huber sind für einen Ort wie Lech viel wichtiger als vor Klischees strotzende Filmstorys.
Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Florian Lechner // friendship.is
31. August 2017