Die Geschichten

Das Zwei-Ps-Familienunternehmen

„Ein gutes Gespann“ – auf niemanden passt diese Formulierung besser als auf Kutscher Josef Stöckler und seiner Tochter Anna.

Anna Stöckler ist 25 Jahre alt und arbeitet bei einer Bank – soweit nichts Ungewöhnliches. Ihr Nebenjob ist allerdings nicht ganz alltäglich, sitzt sie dabei doch am Kutschbock und chauffiert Gäste mit dem Pferdeschlitten durch Lech. Seit fünf Jahren unterstützt Anna ihren Vater Josef, der seit über 40 Jahren mit der Kutsche in Lech unterwegs ist. Wenn man Vater und Tochter zusammen sieht, spürt man sofort: Die beiden haben ein ganz besonderes Verhältnis zu einander und einen extrem herzlichen Umgang. Auch deshalb entwickelt sich unser Doppelinterview zu einem äußerst kurzweiligen Gespräch.

Wie sieht ein typischer Tag im Leben eines Kutschers aus?

Josef: Also ich stehe um fünf auf, gehe in den Stall, putze und füttere die Pferde. Dann gehe ich frühstücken. Spätestens um 11 stehe ich beim Standplatz und warte auf Fahrgäste. Und dann fahre ich halt bis es vorbei ist, meistens so bis neun oder halb zehn am Abend.
Anna: Ich fahre nur auf Bestellung. Am Standplatz warten bringt bei mir nichts. Bei mir will eh niemand einsteigen (lacht).

Traut man dir nicht?

Anna: Da gibt es wirklich einen Unterschied, gerade am Anfang war das extrem. Ich bin halt das einzige Mädchen und noch jung. Als ich angefangen hab, war ich 19.

Da darf man immerhin schon Auto fahren.

Anna: Das Auto bleibt auch automatisch stehen, wenn man auf die Bremse steigt. Das ist bei Pferden nicht unbedingt so. Aber die Prüfung habe ich ja schon mit 16 gemacht, da durfte ich noch nicht mal Auto fahren.
Josef: Es ist ja auch wichtiger, mit der Kutsche fahren zu können, als mit dem Auto.
Anna: Das würde ich so nicht sagen!

Auch wenn ihr da nicht einer Meinung seid, merkt man sofort, dass ihr ein sehr gutes Verhältnis zueinander habt.

Josef: Ja, das machen wir unglaublich gut, oder?
Anna: Zumindest wenn er auf mich hört.

Macht er das?

Anna: Nicht immer, aber schon oft. Nein im Ernst, ein junger Mensch denkt oft anders wie ein Älterer. Aber dann diskutiert man die Dinge halt und mal probiert man es so und ein anderes Mal so.

Worauf kommt es beim Beruf des Pferdekutschers an? Ihr müsst ja auch für die Sicherheit der Fahrgäste garantieren.

Josef: Das wichtigste ist, dass die Pferde richtig aufgezäumt und eingespannt sind.
Anna: Es muss einfach von Anfang an passen. Das Pferd muss gut eingefahren sein und darf keine Angst haben.

Wie „fährt“ man ein Pferd ein?

Josef: Man spannt es ein und lässt es den Schlitten ohne Gäste ziehen, damit es sich daran gewöhnen kann. Das dauert ungefähr einen Monat, danach geht das richtig gut. Und besonders wichtig ist eben, dass man ihnen beibringt, wann sie stehen bleiben müssen. Beispielsweise wissen unsere Tiere auch, dass sie nicht losgehen sollen, wenn die Decken drauf liegen. Wir haben deshalb unsere Tiere alle selbst eingefahren, denn wenn sie etwas anders gelernt haben, kriegst du das nicht mehr raus.
Anna: Und wir beschäftigen uns ja davor schon mit den Tieren, dadurch kann man auch ihren Charakter sehr gut einschätzen. Ob sie tendenziell eher ängstlich sind oder nicht.

Das klingt als wären die Pferde für euch weit mehr als nur ein Arbeitsgerät?

Anna: Ja, das ist auf jeden Fall so. Bei uns haben die Tiere schon einen sehr hohen Stellenwert.
Josef: Das merkt man auch daran, dass wir viel seltener einen Tierarzt brauchen als andere.

Josef, als du als Kutscher angefangen hast, gab es in Lech noch zahlreiche weitere Anbieter. Mittlerweile gibt es neben euch nur noch ein Unternehmen.

Josef: Ja, die haben halt aufgehört, weil es sich nicht mehr rentiert hat. Oder es keinen Nachfolger gab.

Was ja nicht schlecht ist für euch...

Josef: Wir haben genug zu tun. Also aufhören tun wir so schnell nicht. Zumindest so lange ich noch auf den Kutschbock raufkomme fahre ich weiter. Zuhause würde ich ja auch nur meiner Frau auf die Nerven gehen.
Anna: Naja, Müll rausbringen, Staub saugen – das könntest du alles machen. Oder auch abwaschen.
Josef: Abwaschen? Das kann man doch alles in den Geschirrspüler geben.

Ich unterbreche nur ungern die Haushaltsdiskussion, aber: Anna, könntest du dir vorstellen das Unternehmen mal alleine zu führen?

Anna: Nein, eher nicht.
Josef: Sie bräuchte halt einen guten Mann, der mit den Pferden umgehen kann.
Anna: Siehst du, genau darum würde ich es nicht machen. Als Frau stehst du in dem Beruf, glaub ich, immer an zweiter Stelle.
Josef: Schauen wir mal. Man kann nie wissen, was man noch alles macht.

Wie sieht denn eigentlich euer Zielpublikum aus?

Josef: Da gibt es eigentlich alles: Paare, Großeltern, Kinder...
Anna: Die Heiratsanträge nicht vergessen.
Josef: Stimmt, davon haben wir sicher mehr als zehn pro Saison. Die werden gerne während einer Kutschenfahrt gemacht.
Anna: Oder es werden irgendwo Fackeln aufgestellt und wir fahren da hin, und da wird dann die Frage gestellt.

Muss das bei dir auch mal so aussehen?

Anna: Nein, mein Zukünftiger darf das dann am Meer machen.
Josef: Am Meer? Da gehst du ja unter...!
Anna: Ich kann schwimmen! Und ein Heiratsantrag in den Bergen wäre ja nichts Besonderes. Die Berge habe ich jeden Tag.

Apropos Berge – eine Abschlussfrage: Was gefällt euch an Lech so?

Josef: Der Arlberg, die ganze Region – hier ist es einfach irrsinnig schön. Und es gibt gutes Gras für die Tiere. Ich glaube, es gibt nicht viel schönere Flecken auf der Erde.
Anna: Ja. Ich denke gar nicht daran von hier wegzugehen!

www.lech-zuers.at/pferdeschlittenfahrten

Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Ian Ehm // friendship.is

21. März 2017

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