Die Geschichten

“Tuascht Nix Eini, Kimmt Nix Aussi”

Der Name Strolz steht für den Pioniergeist einer ganzen Region, der mit viel Bauchgefühl und Mut zum Risiko gelebt wird.

Das Kaufhaus Strolz in Lech Zürs zählt zu den besten der Welt. Nicht zuletzt wegen der geselligen Dame des Hauses, Herta Strolz. Seit 60 Jahren bedient sie Tag für Tag ihre Kunden - treue Stammgäste, den einen oder anderen Monarchen – und das mit einer Hingabe, die sie lebt und atmet. Wenn sie sagt, sie kennt Gott und die Welt, dann ist das keineswegs übertrieben. Der Erfolg kommt jedoch nicht von ungefähr: Zusammen mit ihrem Mann Ulrich hat sie für den Familienbetrieb eine internationale Reputation erarbeitet - mit einer guten Portion Bauchgefühl und viel Mut zum Risiko.

„Ich bin gleich bei euch”, hört man eine vergnügte Frauenstimme aus dem Off. Neugierig, fast ehrfürchtig warten wir im schicken Haus von Herta Strolz, in dem sich moderne Architektur und Tradition nahtlos zu einer Einheit fügen. Ein paar schwarze Hüte liegen aufeinandergestapelt auf der Garderobe. Darunter eine ordentliche Reihe von schwarzen Lackschuhen. Sie geben Frau Strolz’ ausgeprägten persönlichen Stil preis. Nicht umsonst hat sie mit ihrer Vision Luxusmarken wie Bogner, Fusalp und Hermès ins Sortiment geholt und den Lecher Pisten damit noch mehr Joie de vivre eingehaucht. „So da bin ich. Griaß euch.” 
Begegnet man Herta Strolz also zum ersten Mal, ist es ihr ansteckendes Lachen, das einen sofort mitreißt. Und eine Lebenslust, die ungebremst aus ihr heraussprudelt. Auch mit 80 Jahren kann man noch immer das junge, aufgeweckte Mädchen in ihr erkennen, als das sie nach Lech gekommen war.

In der gemütlichen Stube, in der viel Porzellan und Handarbeit zeigen mit wie viel Liebe Frau Strolz an die Dinge herangeht, erzählt sie uns, wie sehr sie sich über die Ehrung mit dem Best of the Alps Award freut, der die gesamte Familie Strolz für ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verdienste für den Ort auszeichnet. Der Award kommt bald in eine Vitrine ins Kaufhaus. In Lech Zürs schätzt man Frau Strolz aber auch noch wegen anderer Dinge: ihrem Engagement für die Volksmusik etwa - und ihrem Apfelstrudel. Ihr Geheimnis: karamelisierte Äpfel. „Tuascht nix eini, kimmt nix aussi“, lacht sie. Eine von Grund auf gelebte Devise, die sie von Anfang an fest mit dem ureigenen Charakter des Ortes verwurzelt.

Ohne Risiko geht gar nichts

Spulen wir zurück ins Jahr 1950: Lech Zürs zählt gerade einmal 680 Einwohner, der Wintertourismus steckt noch in den Kinderschuhen. Mit dem Omnibus kommt Herta Strolz aus Mieming in Tirol an. „Die Straße von Zürs nach Lech war nur ein Schotterweg”, erinnert sie sich. Sie arbeitet für eine Weile im vornehmen Hotel Gasthof Post im Service.
Nach nur kurzer Zeit wechselt die Tiroler Wirtstochter ins Sportgeschäft Strolz, denn ihre Tüchtigkeit und ihr Esprit bleiben ihrem künftigen Schwiegervater Ambros, einem gelernten Schuhmacher der das Unternehmen 1921 gründete, nicht verborgen. Ambros Strolz ist bekannt für sein innovatives Denken: Mit seinen revolutionären, maßgefertigten Lederskischuhen stattete er nicht nur viele internationale Skiteams aus; auch sein Sohn Martin wird 1954 im schwedischen Åre Vizeweltmeister im Abfahrtslauf in den Skischuhen des Vaters. 

Die junge Herta arbeitet sich bei ihm schnell zur besten Verkäuferin hoch. Das wiederum imponiert Ambros’ Sohn Ulrich so sehr, dass er bald darauf um ihre Hand anhält: im Auto auf dem Rückweg von einer Kundenanprobe.
Doch bevor 1957 geheiratet wird, nimmt sich die vorausdenkende junge Frau noch eine Auszeit, denn sie weiß um die Aufgaben und Verpflichtungen, die in der neuen Familie auf sie zukommen. Sie besucht einen Schaufenster- und Ladendekorationskurs an einer der besten Adressen in München und lernt Französisch in Paris. „Wenn ich in das Haus hineinheirate, dann muss ich was können. Das geht nicht anders.”
Auch kochen lernt sie zwei Sommer lang bei ihrer Mutter zu Hause im Gasthof in Tirol. Außer dem Geschäft in Lech Zürs gibt es ja noch eine Pension zu betreuen. Und die Schwiegereltern. „Die sind mit uns 30 Jahre lang am Tisch gesessen. Das war damals so.” Sie blickt auf ihren Ehering am Finger, den einzigen Schmuck, den sie trägt. Den hat sie bei der Hochzeit ihrem Ulrich noch einmal symbolisch vor die Nase gehalten und ihm liebevoll ihre Entschlossenheit für die gemeinsame Zukunft eingeschärft: „Und eines sag ich dir: Der geht mit mir ins Grab.” In den kommenden Jahren werden die beiden Eltern von drei Söhnen: Ambros Junior, Daniel und Florian.

Herta Strolzs magisches Gespür für Schnee und schöne Farben

Das junge Strolz-Paar ist ein gutes Gespann. Aber ihre Tage sind lang: „Nach dem Kaufhaus habe ich mir die Schürze umgebunden, für die Gäste gekocht, danach habe ich mich wieder umgezogen und sie gefragt, ob alles gepasst hat. Und dann bin ich wieder ins Geschäft zu meinem Mann um den Einkauf zu machen. Wir sind selten vor zwei Uhr Nachts ins Bett gegangen”, erzählt sie und hält kurz inne. Immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen. Das ist wohl ihre Art zu vermitteln, dass die harte Arbeit nicht immer ein Honiglecken war. Aber sie macht nicht den Eindruck als sei sie eine Frau, die über ihr Leid klagt. Im Gegenteil: Gezielt setzt sie ihren weiblichen Charme ein, um zu erreichen was sie will. Etwa wenn es um unterschiedliche Ansichten bezüglich modischer Kleiderfarben geht. Als Ulrich in gewohnter Manier dunkle Skihosen und Pullover für die nächste Saison nach Hause bringt, fragt sie ihn schelmisch: „…aber kleidest du denn Trauerweiden ein?“ Prompt übergibt er seiner Frau den Einkauf. Ein gewagter Schritt und eine Herausforderung für die junge Frau Strolz. Doch diese lässt sich von ihrer Intuition und ihrem modischen Geschmack leiten. „In der selben Saison bin ich dann noch zum Bogner gefahren, weil er so schöne Farben und die passenden Anoraks hatte,” so Frau Strolz über ihre Anfänge.

Bereitschaft zum Risiko und Verhandlungsgeschick, das hat die junge Herta. „Zu unseren Lieferanten habe ich immer gesagt: Bringt schöne Farben, denn der Schnee ist weiß und bleibt weiß. Die Schifahrer sollen schick aussehen, wenn sie im Schnee stehen.” Sie ist die erste, die Overalls führt. Die werden dank ihres Gespürs für Trends der Renner. „Die Gäste von Lech waren schon zu der Zeit relativ schick und wussten, was sie wollten”, erzählt Herta Strolz über die damals knappen 300.000 saisonalen Besucher, die Lech Zürs für seine gediegene Atmosphäre zu schätzen begannen. Diese Zahl wird sich in den nächsten Jahrzehnten durch den boomenden Wintertourismus mehr als verdoppeln. 

Frau geh doch schlafen, man macht die Rechnung erst zu Ostern.

Aber, so verrät Frau Strolz, haben sie ihre Entscheidungen auch oft wach im Bett liegen lassen. “Wenn im Dezember noch immer kein Schnee da war und die Lager voll, habe ich viele schlaflose Nächte gehabt, denn mein Rucksack war groß. Nur, das darf man niemandem sagen.” In solchen Momenten stand Ulrich als weiser Gefährte auf ihrer Seite. “Frau geh doch schlafen, hat mein Mann dann immer zu mir gesagt, das nützt nichts. Man macht die Rechnung erst zu Ostern.”

Herta Strolz ist auch sonst eine Kämpfernatur. Das notwendige kaufmännische Wissen bringt sie sich im Selbststudium bei. Per Zug und Mietauto klappert sie sämtliche Sportartikel- und Modemessen ab. In den feinsten Läden in Paris kauft sie das Kleinste und Billigste um zu sehen wie man die Ware verpackt und studiert die hohe Kunst der Schaufensterdekoration. „Dabei habe ich mir immer nur gedacht: Einmal möchte ich auch einen so schönen Laden haben”, erzählt sie aufgeregt. Man kann ihn so gut nachvollziehen, ihren Herzenswunsch, der ihr nicht verwehrt bleiben soll.
Zurück in Lech Zürs bündelt sie die gesammelten Eindrücke und setzt sie geschickt im eigenen Kaufhaus um. Auch sonst weiß sie sich zu helfen. „Immer, wenn ganz schicke Frauen in der Umkleidekabine waren, habe ich mir schnell die Etiketten auf ihrer eigenen Kleidung angesehen”, schmunzelt sie. So hat sie das Sortiment mit guten Namen geschickt erweitert.

Exklusivität, große Kundschaft, diskrete Freundschaften

So unverrückbar wie die Farbe des Schnees ist auch ihr Wille zur Exklusivität. Nehmen wir beispielsweise die Hermès-Tücher: Durch Hertas Beharrlichkeit ist das Kaufhaus Strolz eines der ersten Geschäfte mit führenden Sportmarken, die auch die begehrten Stücke verkaufen dürfen. Auch wenn die Preise für den kleinen Ort hoch scheinen: „Von meinem Niveau bin ich nie gewichen”. Ein Standpunkt, der dem Geschäft heute noch zugute kommt. Vor allem aber auch bei der Ehrlichkeit geht Frau Strolz keine Kompromisse ein. Das weiß ihre treue Kundschaft mehr als zu schätzen, Kunden, unter die sich die Mitglieder so manchen Königshauses - von Belgien, Jordanien, Marokko bis nach Japan - reihen. Von einigen kennt sie sogar schon die vierte Generation. „Das sind Verbindungen wie Freundschaften. Die entstehen nur, wenn du so bleibst wie du bist.” Bodenständigkeit ist in diesem Umfeld besonders wichtig, und die gibt Herta Strolz ihre Familie.

Die Zukunft liegt vorne

Lech Zürs zählt mittlerweile über 1500 Einwohner und an die 1 Million Übernachtungen pro Jahr. Sohn Ambros Strolz Junior leitet den Verkauf im Kaufhaus. Es wurde umgebaut und um eine Bar erweitert. In der trifft man einen Querschnitt durch das illustre Publikum des Ortes: Skilehrer, Einheimische, weitgereiste Gäste. Zwei Filialen wurden eröffnet. Obwohl der hohe Standard gehalten werden muss, ist Herta Strolz ein gesundes Wachstum ein Anliegen. „Als Mensch wächst du mit dem Unternehmen mit. Ich habe mit 22 Jahren eingeheiratet und bin auch nicht stehengeblieben.” Mehr Raum und Zeit zur Entfaltung: eine Philosophie, der sich auch Lech Zürs aus seiner innersten Seele heraus verschrieben hat.

Nur nie die Bodenständigkeit verlieren

Spricht man mit Frau Strolz über Wertschätzung, dann ist das für sie ganz klar ihre Dankbarkeit über die Gäste, von denen „so viele Ziegel (im Haus) drinnenstecken“, wie sie es umschreibt. Nicht ganz ohne Grund meint sie deshalb mit gewissen Nachdruck: „Ererbtes Gut ist nicht zum Verleben sondern zum Erhalten.” 
Ganz zur Ruhe setzen kann sich Frau Stolz natürlich nicht: Zwischen zwei und fünf Uhr nachmittags trifft man sie im Kaufhaus Strolz noch immer persönlich an. Irgendwann hat sich unter den Gästen der Begriff „strolzen gehen“ eingebürgert, erzählt sie begeistert.  Und nun, zur Feier des Tages, sagt sie vergnügt, trinken wir etwas zusammen.

Text: Sandra Pfeifer
Fotos: David Payr // friendship.is, Kaufhaus Strolz

 

13. Oktober 2016

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