„Ich Denke Eigentlich Sehr Geradlinig“
Schatzalp-Betreiber Pius App gilt als Querdenker – auch wenn ihm die Bezeichnung eigentlich nicht gefällt. Mit seinen Ideen sorgt er in jedem Fall für Aufsehen.
Das Gelände der Schatzalp in Davos – oder, genauer gesagt, über Davos – ist ein besonderer Ort. Thomas Mann soll hier Inspiration für seinen Roman „Der Zauberberg“ gesammelt haben: Das im Jahr 1900 auf der Schatzalp eröffnete Sanatorium ist das einzige, das im Buch namentlich erwähnt wird. Ein bisschen wirkt das Areal mit dem 1954 zum Hotel umfunktionierten Gebäude wie eine eigene Welt. Sicher auch, weil es nach wie vor nur über eine Zahnradbahn, die Schatzalp-Bahn, erreichbar ist. Oder weil vieles hier noch immer so aussieht, wie zur Eröffnung des Sanatoriums vor über 100 Jahren. Vielleicht aber auch ein bisschen wegen Mitbesitzer Pius App – denn auch er gilt als eigenwilliger Typ.
2003 hat App – gelernter Ingenieur, Informatiker und Inhaber eines Patents für fälschungssichere Bank-Unterschriften – gemeinsam mit seinem Partner die Schatzalp erworben. Für Aufsehen sorgte er mit seinen Plänen, einen 105 Meter hohen Turm zu errichten. Auch sonst geht App seinen eigenen Weg, beispielsweise beim hoteleigenen Skigebiet, das mit wenigen Pistenkilometern und ohne moderne Liftanlagen auskommt. Ein Gespräch über Querdenker, Quereinsteiger und ungenutztes Potential.
Herr App, Sie werden gerne als Querdenker bezeichnet, stimmen Sie dem zu?
Pius App: Das gefällt mir gar nicht so. Ich denke eigentlich sehr geradlinig – wie Ingenieure eben denken. Oft habe ich halt eine andere Linie und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann sage ich das auch, schließlich habe ich davor lange genug darüber nachgedacht. Ich glaube, dass viele Hoteliers etwas eigenwillige Persönlichkeiten sind, aber vielleicht drücke ich mich klarer aus. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, das ist schön. Gleichzeitig bin ich aber sicher keiner, der sich prinzipiell quer stellt.
Sie kommen eigentlich aus dem IT-Bereich – warum der Einstieg in die Tourismusbranche?
Pius App: Ich wohne seit 1976 in Davos, entsprechend verbunden fühle ich mich dem Ort. Die Schatzalp war damals finanziell auf nicht gerade guten Wegen, und 2003 wurde dann davon gesprochen, dass hier oben einiges komplett verändert werden soll. Das wollten wir nicht, deshalb sind wir eingestiegen mit dem Vorhaben, die Schatzalp wieder zum Blühen zu bringen. Ich denke, das ist uns in den letzten 12 Jahren auch gelungen. Die Schatzalp hat wieder einen Namen.
In der Tourismusbranche gibt es sehr viele Familienbetriebe. Wie wichtig sind Quereinsteiger mit neuen Ideen?
Pius App: Es fällt einem sicher leichter, über den Tellerrand zu blicken. Wenn immer nur die gleichen Menschen zu Wort kommen, wiederholt man Dinge oft nur, treibt möglicherweise gemeinsam in eine falsche Richtung und schaut nicht, was man machen müsste oder könnte. Natürlich bin ich in der Tourismusbranche noch immer ein bisschen ein Exot, aber ich hab schon meine Ideen.
Beispielsweise Ihr Vorhaben, auf der Schatzalp einen 105 Meter hohen Turm zu errichten.
Pius App: Da muss ich etwas ausholen: Der gesamte Bereich der Schatzalp war von der Raumplanung bis dahin ausgeklammert, das heißt, es war nicht festgelegt, was gebaut werden darf. Damals hieß es: „Wenn ihr nichts festlegt, wird hier gar nichts gebaut.“ Wir mussten uns überlegen, was wir wollen, zudem gab es bestimmte Vorgaben vom Kanton – so ist das Projekt entstanden. Der Turm war eigentlich eine logische Konsequenz aus unseren Ideen und den Vorgaben: Wenn ich hier ein Heidi-Dorf mit lauter kleinen Häuschen mache, muss ich das ganze Areal mit Wegen zupflastern. Das neue Gebäude sollte eine möglichst kleine Grundfläche haben, aber ungefähr das Volumen des alten Hotels. Also mussten wir in die Höhe gehen und haben uns entschieden, das alte Gebäude quasi aufzustellen. Mittlerweile ist es im Raumplanungsgesetz verankert - wenn wir hier oben etwas bauen, muss es der Turm sein.
Und warum steht noch kein Turm auf der Schatzalp?
Pius App: Das Projekt beinhaltet auch Zweitwohnungen. Derzeit dürfen in Davos aber keine Zweitwohnungen gebaut werden, deshalb liegt das Projekt auf Eis – abgeschrieben haben wir es aber nicht. Es ist ja auch nicht so, dass wir eine Baubewilligung haben, die abläuft. Es ist lediglich das Raumplanungsgesetz festgelegt.
Auch mit dem Schigebiet, das seit der Neueröffnung 2008 als „Slow Mountain“ vermarktet wird, gehen Sie einen ungewöhnlichen Weg. Den Trend zur „Entschleunigung“ kennt man zwar mittlerweile, im Sport geht es aber für gewöhnlich in die andere Richtung.
Pius App: Es ist ein Kontrastprogramm. Das funktioniert nur, weil es in Davos auch ein gutes Angebot an „normalen“ Skigebieten gibt, sonst wär es ja kein Kontrast. Bei uns wird eben langsam gefahren – damit wollen wir beispielsweise ältere Leute erreichen, denen es zu schnell und zu laut wird in den großen Skigebieten. Auch die sollten eine Alternative haben, weiterhin Ski zu fahren. Diese Möglichkeit wollen wir hier bieten.
Das Image von Davos hat sich ja über Jahrzehnte und Jahrhunderte stark gewandelt. Vom Bauerndorf zum Kurort, vom Kurort zur Kongressstadt und Winterportdestination. Wo geht es hin bzw. wo sollte es hingehen?
Pius App: Meiner Meinung nach nützen wir das Potential des Sommers noch nicht genügend aus bzw. ist es noch nicht bekannt genug. Wir können vom See bis zum Hochgebirge alles bieten und haben beispielsweise ideale Bedingungen zum Wandern. Es gibt eher flache Seitentäler aber auch steile Berge, da ist für jeden etwas dabei. Zudem liegt Davos relativ hoch: In Zeiten der Klimaerwärmung könnten südliche Sommerdestinationen in einigen Jahren ein Problem kriegen. Bei uns kann man nachts das Fenster noch offenlassen, ohne dass es wärmer wird im Zimmer. Und was für mich schon auch eine wichtige Rolle spielt: Wir sind eine Stadt.
Die höchstgelegene Stadt in den Alpen…
Pius App: Eine Stadt mitten in den Bergen ist schon etwas besonders. Das macht es auch für Familien mit etwas älteren Kindern attraktiv, die wollen ja auch…. Naja, sagen wir so: Die wissen schon was sie wollen! Urlaub auf dem Bauernhof hat gewiss auch seinen Reiz, aber ich denke, viele genießen es, dass sie abends in die Stadt spazieren können und sich amüsieren, um dann wieder zurückzukehren in die Stille.
Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Ian Ehm // friendship.is
11. Oktober 2016