Die Geschichten

Die Komischen Kniebeuger

Telemarken ist die vielleicht eleganteste Form des Skifahrens – auch wenn es sich zu Beginn gar nicht so anfühlt.   

„Ihr werdet sehen, am Anfang stellt man sich ein bisschen komisch an.“ An diese Worte müssen wir denken, als wir frühmorgens bei der Bergstation des Jakobshorns stehen. Eigentlich ist die Abfahrt zum Chalet Güggel so kurz, dass man kein Wort darüber verlieren müsste – hätten wir nicht am Vorabend im Fullmoons-Shop eine Telemark-Ausrüstung besorgt und wären wir nicht auf dem Weg zum Treffpunkt des Swiss Telemark Festival.

Telemarken gilt als eleganteste Form des Skifahrens. Erfunden wurde es vom Norweger Sondre Norheim aus der Provinz Telemark. Anders als beim gewöhnlichen Skifahren ist in dieser Sportart lediglich die Schuhspitze fest mit dem Ski verbunden. Beim Schwung bewegt man das bergseitige, d.h. kurveninnere Knie tief nach unten und schiebt den talseitigen Ski nach vorne. Wenn man es kann. Wir begeben uns erst einmal instinktiv in Rückenlage. Das funktioniert ganz gut, hat aber mit der Eleganz, mit der geübte Telemarker ihre Schwünge ziehen, eher wenig zu tun. Zumindest schaffen wir es so unfallfrei zum Chalet Güggel, wo wir auf Stefan Bernhard treffen. Der 41-jährige ist Telemark- und Freeride-Lehrer.

Stefan, du hast 1993 mit Telemarken begonnen und unterrichtest mittlerweile selbst. Wie lange braucht man, um es halbwegs zu beherrschen?

Stefan: Wer ein bisschen Skifahren kann, stellt sich erst einmal auf die Fersen und kann so zumindest schon ein wenig fahren. Man muss also nicht am Anfängerhügel rumrutschen, sondern kann gleich auf den Berg. Das ist das Schöne. Man lernt es Schritt für Schritt während der Abfahrt. Jemand der Ski fahren kann und nicht gerade zwei linke Füße hat, beherrscht die Grundtechnik nach etwa einem halben Tag.

Rund 40 Teilnehmer haben sich mittlerweile anlässlich des Swiss Telemark Festivals, welches seit 2010 vom Fullmoons-Shop gemeinsam mit der Eventagentur inandout organisiert wird, beim Chalet eingefunden. Man teilt sich in drei Gruppen: Anfänger, Fortgeschrittene und Offpiste-Fahrer. Die herzlichen Begrüßungen lassen vermuten, dass viele nicht zum ersten Mail dabei sind. Nachdem die Gruppen losgezogen sind, werden wir nach unseren Ambitionen gefragt mit dem Hinweis, dass Stefan mit uns eine Runde drehen würde. Ein Angebot, welches wir gerne annehmen. Wenn auch mit leicht gemischten Gefühlen.

Worauf kommt es beim Telemarken an? 

Stefan: Körperlich ist es sicher anstrengender als normales Skifahren. Du machst dauernd diese Schrittbewegung, die Beine sind durchgehend angewinkelt. Dadurch musst du immer die Spannung halten. Es gibt zwei, drei Sachen die man am Anfang richtig verinnerlichen muss, beispielsweise, dass man beim Schritt richtig tief runter geht, gleichzeitig aber keinen zu großen Schritt macht. Aber wenn man das von einem guten Lehrer am Anfang richtig beigebracht bekommt, hat man es im Kopf und kann schon nach einem halben Tag selbstständig üben.

Wir steigen erneut in die – für uns Alpinskifahrer – nicht sehr vertrauenserweckende Bindung. Die erste Querfahrt absolvieren wir noch in der bewährten Rücklage. Dann werden wir von Stefan sprichwörtlich „in die Knie gezwungen“. Das geht beim Geradeausfahren sehr gut, bei den Schwüngen weniger. Es fehlt noch das Vertrauen, wirklich in die Knie zu gehen, da es sich, wenn man fixe Bindungen gewohnt ist, anfühlt als würde man aus selbiger rausfallen. Zudem gelingt die Kraftübertragung vom Fuß auf den Ski vorerst nur beschränkt, was das Ansetzen des Schwunges doch etwas erschwert. Aber es wird besser. Mit jedem Schwung. Und zumindest der Bogen nach rechts macht langsam irgendwie Spaß.

Was macht den Reiz des Telemarkens aus? 

Stefan: Ich glaube, ganz am Anfang ist es für viele einfach reizvoll, weil es etwas ist, dass sie noch nie gemacht haben. So war es zumindest bei mir. Dadurch, dass die Ferse nicht fixiert ist, ist man wesentlich flexibler und hat mehr Bewegungsfreiheit. Man kommt mit dem Schwerpunkt viel weiter nach unten und ist näher am Schnee. Das absolute Highlight ist für mich das Tiefschneefahren. Es erinnert irgendwie ein bisschen an Surfen. Wenn man so einen richtig schönen Schwung in einem Tiefschneehang zieht – das ist eines der schönsten Gefühle, die man haben kann.

Davon sind wir freilich noch ein gutes Stück entfernt. Auf den Geschmack gekommen sind wir aber auf jeden Fall. Zu unserer eigenen Überraschung hat Stefan auch nicht übertrieben: Nach einem halben Tag klappt es mit den technischen Grundlagen des Telemarkens schon ganz ordentlich. Und fühlt sich auch gar nicht mehr komisch an.

www.swisstelemarkfestival.ch

Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Walter Oberbramberger // friendship.is

20. Februar 2017

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