Die Geschichten

Die Neuerfindung Der Kitzbüheler Berggastronomie

Warum man in Kitzbühel künftig vor dem Skifahren einen Tisch reserviert…

Es ist nicht unbedingt ein bescheidenes Ziel, das Ivan Marzola gemeinsam mit Christian Harisch verfolgt: Die beiden wollen die Berggastronomie in Kitzbühel neu erfinden. Als Schauplatz dient ihnen dafür das legendäre „Sonnbühel“, das die beiden am 4. Dezember 2015 neu eröffnet haben. 1924 erbaut, ist es die vermutlich älteste Skihütte der Welt. Schon bei seinem ersten Besuch in Kitzbühel kam Marzola der Gedanke, dass er hier einmal leben möchte. Damals war er 20 Jahre alt und Mitglied des italienischen Ski-Nationalteams. Ivan Marzola fuhr sieben Jahre lang im Weltcup, in Kitzbühel schaffte er es einmal in die Top Ten. Deshalb müssen wir – bevor wir zum Sonnbühel und zur Neuerfindung der Berggastronomie kommen – auch kurz über die Streif reden.

Ivan, wie fühlt man sich, wenn man als 20-Jähriger im Starthaus der Streif steht?

Ivan Marzola: Wenn dich der Skiverband anruft und dir sagt, „du darfst mit nach Kitzbühel“ – da kriegst du es zuerst einmal mit der Angst zu tun. Man weiß ja, dass die Streif kein Pappenstiel ist. Wenn man dann herkommt, spürt man die Nervosität. Die hängt quasi in der Luft. Und das geht nicht nur den jüngeren Fahrern so, sondern auch den älteren, die hier schon 100 Mal gefahren sind. Die machen sich vor Angst genau so in die Hose. Aber das ist es wert im Hinblick auf das Gefühl, das man empfindet, wenn man diese Abfahrt einmal gefahren ist.

Kannst du das genauer beschreiben?

Ivan Marzola: Im Vorfeld haben alle gesagt: Die Streif darf man nicht passiv fahren, man muss sie so fahren, als ob es dein letztes Rennen wäre. Ich habe es dann auch voll durchgezogen, und als ich im Ziel gestanden bin, habe ich mir gedacht: So, jetzt bin ich ein echter Abfahrer!

Du sagst, dass du auch abgesehen vom Rennen sofort von Kitzbühel begeistert warst. Was fasziniert dich an diesem Ort?

Ivan Marzola: Kitzbühel hat einfach Flair! Wenn du hierherkommst, spürst du sofort, da ist irgendetwas. Die ersten Menschen, die sich hier niedergelassen haben, die wussten schon warum. Ich habe mir gedacht: Hier möchte ich irgendwann einmal leben. Die Stadt, die Leute, die Begeisterung für den Skisport und die Berge – das ist einfach genau meines. Zudem ist es nicht weit zum nächsten Flughafen und auch am Meer ist man recht schnell. Das trifft sich insofern gut, als meine Frau nicht unbedingt eine Bergziege ist.

Zur Wintersaison 2015/2016 hast du das Sonnbühel übernommen, die vermutlich älteste Skihütte der Welt und eine echte Institution. Gemeinsam mit Eigentümer Christian Harisch willst du die Alpen- bzw. Berggastronomie neu erfinden. 

Ivan Marzola: Wir wollen weg von diesem typischen Skihütten-Essen: Gulaschsuppe, Wiener Schnitzel, Germknödel etc. Bei uns wird alles frisch zubereitet, mit frischen und hochwertigen Zutaten. Vorgekochtes oder Aufgewärmtes gibt es hier nicht. Auch, dass es bei uns möglich ist, einen Tisch zu reservieren, ist für eine Hütte eher ungewöhnlich. Zudem versuchen wir die Zeit bei uns für die Gäste so angenehm zu gestalten, dass sie lange sitzen bleiben möchten. Das ist vielleicht nicht unbedingt gut fürs Geschäft, aber wir wollen auf keinen Fall, dass jemand das Gefühl hat, dass er hier nur eine Nummer ist und wie am Fließband abgefertigt wird.

Also quasi ein Gourmet-Restaurant im Skigebiet?

Ivan Marzola: Den Begriff Gourmet-Restaurant vermeiden wir bewusst. Wir bieten aber in jedem Fall eine sehr hochwertige Küche und wollen im Hinblick auf die Qualität klar herausstechen. Trotzdem genießen wir auch die Vorteile einer Hütte, denn hier ist der Gast vielleicht nicht ganz so streng wie im Gourmet-Restaurant, sprich: Man kann in Jeans und Hemd herumlaufen, es ist nicht so tragisch von welcher Seite das Essen eingestellt wird und man kann auch mal ein bisschen lustig sein.

Viele Leute schätzen gerade beim Skifahren aber auch das typische Hüttenfeeling bzw. –essen. Wie fällt das Fazit nach der ersten Saison aus?

Ivan Marzola: Zu Beginn haben viele gesagt: „Was wollt ihr denn mit dem Fisch da oben?“ Oder: „Wieso gibt es bei euch Tischreservierungen?“ Aber es klingelt jetzt schon in der Früh durchgehend das Telefon wegen Reservierungsanfragen und zu Mittag müssen wir ab und zu sogar schweren Herzens jemanden wegschicken oder ihm einen Tisch am nächsten Tag anbieten. Wir sind also auf dem richtigen Weg.

Zu welchem Ziel soll dieser Weg führen?

Ivan Marzola: Bis in drei Jahren wollen wir einen echten Namen in Kitzbühel haben. Die Leute sollen sagen: „Wenn man in Kitzbühel ist, muss man da rauf, das gehört dazu!“

www.sonnbuehel.at

Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Heiko Mandl // friendship.is 

7. Dezember 2016

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