Die Geschichten

Die Drei Prinzipien Der Gebrüder Winkler

Von der Gourmetküche mit ihren „Spritzflascherln und Schäumchen“ haben die Winkler-Brüder genug. Sie bauen auf andere Werte. 

Jeder gute Koch hat eine Philosophie mit mehr oder weniger ausformulierten Grundsätzen. Christian und sein Bruder Markus Winkler, der eine in der Küche, der andere im Service, betreiben in Kitzbühel das Drei-Haubenrestaurant Winkler's im Neuwirt, das sich ganz bewusst von der Gourmetschiene mit ihren „Spritzflascherln und Schäumchen“ distanziert. Und das sich vielleicht am besten über Prinzipien beschreiben lässt, die sich herauskristallisieren, wenn die Brüder über sich und ihre Küche sprechen. 

Die Winkler-Brüder sind vor kurzem umgezogen. München wäre eine Option gewesen, mit der sie geliebäugelt hatten, aber am Ende sind sie Kitzbühel treu geblieben: „Ich habe immer gesagt: Kitzbühel ist ein Traumpflaster, aber du brauchst gute Bedingungen. Wir haben hier eindeutig die attraktiveren Angebote bekommen, und besser als jetzt hätten wir es fast nicht kriegen können”, erzählt Küchenchef Christian, der ältere der beiden Steirer Brüder, die schon seit 30 Jahren in Tirol leben und jetzt nicht mehr in der Kitzbüheler Schwedenkapelle, sondern im Neuwirt kochen. Beide haben ursprünglich eine Kochlehre absolviert, aber die Rollenverteilung habe sich schnell gezeigt: Markus fand Gefallen am Kontakt mit den Gästen, während Christian lieber in der Küche kreierte. Das sollte so bleiben. Ob Markus einspringen würde, wenn Christian mal krank würde? „Der Christian ist nie krank”, sagt Markus. Und das scheint kein Scherz zu sein.

In der Gastronomie darfst du deinen Job nicht als Job sehen, du musst mit 100 prozentiger Leidenschaft dabei sein

Wahrscheinlich die Frucht seiner Einstellung: „In der Gastronomie darfst du deinen Job nicht als Job sehen, du musst mit 100 prozentiger Leidenschaft dabei sein”, so Christian, der bis zu 16 Stunden pro Tag in der Küche schält, schneidet, brät, abschmeckt und dirigiert und von seiner Partnerin erwartet, dass sie damit zurecht kommt. Auch Markus hat mit seiner Freundin maximal zehn freie gemeinsame Tage pro Jahr. Gewohnheitssache, sagen sie, und dass die Beziehungen würden funktionieren, so gut, dass Christian bald heiratet. Ohne Hingabe liefe der Laden eben nicht, und das inkludiere auch alles, was sonst noch nötig ist: „Man ist auch Unternehmer und muss sich mit Finanzen, Buchhaltung, Personalmanagement und Krisenmanagement auskennen”, sagt Markus. Nachtrag von Christian: „Und die Glühbirne am Klo drehst auch noch raus wenn sie kaputt ist.“ Wäre dieses kompromisslose Engagement nicht da – der Gast würde es merken, davon sind die Brüder überzeugt. Und dessen Zufriedenheit hätte oberste Priorität. 

Frühlingsgemüsesalat mit fangfrischer Bachforelle und pochiertem Bio-Hühnerei

Prinzip #1: Gastfreundlichkeit

„Mir geht es nicht darum, mit einem weißem Tuch vor dem Gast zu stehen und mich wichtig zu machen, so etwas nervt mich selber ohne Ende. Jeder Gast braucht individuelles Service und wer mehr wissen will, bekommt eine profunde Info”, so Markus, und Christian ergänzt: „Genau das kriegt man fast nirgends. Dieses normale miteinander Reden ist in der Gastronomie fast abnormal. Das ist verrückt.“ Wahrscheinlich sind die meisten Gäste deshalb Stammgäste, für die auch Ausnahmen gemacht würden: „Wer vier Mal im Monat kommt, will nicht vier Mal Forelle oder Lachsforelle essen. Solchen Gästen kaufe ich dann auch mal einen tollen Fisch, der nicht aus der Region kommt”, erzählt der Chef de Cuisine. 

Prinzip #2: Back to the roots  

Die Küche der Winkler-Brüder ist eine ehrliche. Eine, die nichts neu erfinden will, denn „weltweit gibt es vielleicht eine Handvoll Köche, die wirklich neue Wege gehen, fast alle anderen sind einfach perfekte Kopierer”, sagt Markus. Solide, frische Küche mit Zutaten aus der Region in gleichbleibender Top-Qualität, verpackt in einfachen Gerichten wie Reisfleisch oder gefüllte Paprika mit eigener Handschrift, oder, wie Christian es beschreibt: „So zubereitet dass du sagst: So geil hab ich’s noch nie gegessen.“ Diese Rückbesinnung aufs Wesentliche ist vielleicht auch Resultat der zwölf Jahre Gourmetküche, die die beiden in den Knochen haben. „Wir nehmen ganz bewusst Abstand von der Gourmetschiene. Ich brauche keine Spritzflascherl mehr und keine Schäumchen. Und wenn ich jeden Tag ein volles Restaurant habe, dann sagt mir alles, dass ich meinen Job gut mache.“ 

Prinzip #3: Wirtschaftlichkeit

Die Abrechnung mache den beiden am meisten Spaß, meinten sie mit einem Augenzwinkern. „Eine Gastronomie mit 35 Sitzplätze und 14 Köchen ist für mich keine Gastronomie, weil schon vorprogrammiert ist: Das kann nicht wirtschaftlich laufen”, meint Christian, der „vor jeder Hausfrau, die für ein paar Kinder kocht, mehr Respekt hat als vor einem 3 Sterne-Koch, der alles viereckig zuschnitzt und im Monat wahrscheinlich ein Minus von 20.000 macht.“ Die Abneigung gegenüber den ultra-prätentiösen Seiten der Haute Cuisine ist spürbar. Oft ist einer der ersten Schritte in der Identitätsfindung das Wissen darum, was man auf keinen Fall will. Und wenn sich daraus ein Unterscheidungsmerkmal definieren lässt, dann gibt es auch kein Konkurrenzdenken, keine Geheimnisse um Rezepte und keine Burnout-Gefahr in einem Gewerbe, das einem körperlich und mental einiges abverlangt. 

Um abzuschalten verfolgen die Brüder übrigens unterschiedliche Strategien: Markus geht golfen oder skifahren, während Christian die Ruhe seiner kleinen Kitzbüheler Wohnung genießt: „Manchmal gehe ich an meinen zwei freien Tagen gar nicht raus. Ich höre Musik, lese, und freue mich wenn um sechs Uhr meine Freundin nach Hause kommt.“ In all der pulsierenden Betriebsamkeit der Gastronomie seine Ruhe zu finden – ob durch Aktivität oder Rückzug – ist wohl eine weitere Herausforderung. Aber manchmal, im größten Trubel, passiert es auch ganz unverhofft: „Weißt du was das Geilste ist in der Küche? Wenn der Strom ausfällt. Niemand redet, keine Lüftung, keine Geräte und das einzige was man hört, ist das Schneiden der Messer”, so Christian. 

Text: Martha Miklin // friendship.is
Fotos: Ian Ehm // friendship.is

24. Oktober 2016

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