Die Geschichten

Der Duft Von Leder Und Loden

Kaspar Frauenschuh hat nie auf das gehört, was die Kunden wollen. Vielleicht ist sein gleichnamiges Modelabel deshalb so erfolgreich?

Nicht auf das zu hören, was die Kunden wollen, kann fatal sein. Es kann aber auch das Beste sein, was ein Unternehmer tun kann. Bei Kaspar Frauenschuh, dem Unternehmer, Designer und Vater des weltweit bekannten und geschätzten Labels Frauenschuh, war – und ist – diese Philosophie Programm. Seit 1974.

Es duftet dezent nach Leder. Im Hintergrund rattert eine Nähmaschine Löcher in das Futter des Winterstiefels, der sich schon bald in der Auslage des schicken Frauenschuh-Ladens im Herzen Kitzbühels präsentieren wird - neben Schaufensterpuppen in Ledermänteln mit Dachsteinloden, Vier-Knopf-Westen aus Merinowalk und hautengen Softshell-Catsuits, denen es wohl weniger ein Anliegen ist, subtil-sexy zu wirken als bestimmte Funktionen zu erfüllen. Funktionen wie warm zu halten, komfortabel zu sein, strapazierfähig. Dennoch gelingt ihm auch ersteres, glücklicherweise. Mit Bravour. 

„Ich will, dass ein Kleidungsstück funktioniert“, sagt Kaspar Frauenschuh während er den Prototypen des Frauenschuh-Ledermantels auf dem mit Wildleder bezogenen Arbeitstisch ausbreitet, glattstreift und mustert, so, als hätte er noch zu Entdeckendes an sich: „Es muss passen, sich pflegen lassen, schützen. Ein Hirsch wird geschützt durch seine Haut – und genauso schützt sie den, der sie trägt.“ Der Mantel ist über 40 Jahre alt. Schon damals, in den 60ern, wirkte er nicht bullig wenn darunter ein Sakko getragen wurde. Heute ist er um zwei Drittel leichter, weicher und kommt an vielen Stellen ohne Nähte aus. Dennoch spricht das Original aus ihm, er ist vom selben Schlag, vom Frauenschuh-Schlag. Wer ist dieser Mann, der Models wie Lauren Hutton zu seinen Fans zählt, mit weltweit gefeierten Fotografen wie Gilles Bensimon zusammenarbeitet und seit 40 Jahren ein international erfolgreiches Unternehmen führt?

„Ma, is des schirch!“

Rückblende: Wir schreiben das Jahr 1974. Kaspar, damals blutjung, ausgebildet zum Gerber und Lederschneider, wird familiär bedingt zum logischen Nachfolger im Familienbetrieb: Die Schwester heiratet, die Mutter ist überlastet, und jemand muss die seit den 1950er-Jahren bestehende Gerberei der Eltern übernehmen. „Ich habe mich irrsinnig geehrt gefühlt, dass ich mit nicht ganz zwanzig Jahren schon ein Geschäft machen kann. Aber die Sachen von der Gerberei waren mir zu traditionell und zu alt. Ich wollte was anderes machen.“ Der junge Kaspar kauft in London ein, reist in Modemetropolen wie Paris und New York, und als er in den 70ern den Laden im idyllischen Kitzbühel eröffnet, eckt er mit modernem Interieur und Designern wie Helmut Lang, Armani, Prada und Gucci an: „Es hat sehr viele Leute gegeben, die mit meiner Formensprache nicht umgehen haben können, die gesagt haben: Ma, is des schirch. Aber das hat mich nicht sonderlich beeindruckt.“

Denn es gibt auch Leute, die das toll finden was der junge Frauenschuh nach Tirol bringt. Die in den späten 70er-Jahren vorerst vielleicht noch etwas zaghaft Moncler-Jacken tragen, aber im Grunde kein Problem damit haben von der Allgemeinheit hinter vorgehaltener Hand als Michelin-Männchen verspottet zu werden. Kaspar Frauenschuh schert sich ebenfalls nicht darum. Er macht weiter. Die sonstigen Umstände sind günstig: Der Vater lässt ihn tun und machen, die Schwester unterstützt ihn von Anfang an – sie tut es nach wie vor - und Kitzbühel zieht immer mehr internationales Publikum an. Der Laden läuft. So gut, dass Kaspar Frauenschuh um die halbe Welt reisen kann – neben New York, Paris und London verschlägt es ihn nach Tokyo, Sri Lanka, auf die Malediven – und schließlich 1997 ein eigenes Label gründet: Frauenschuh – Luxury Sportswear from Austria. Das Signature-Stück sollte die Damen-Fleecejacke sein. Für diejenigen, die nichts mit dem unbekannten Material und dem taillierten Schnitt anfangen konnten, war sie eine „schirche Taucherjacke“. Ein paar Jahre später sollten sie dann selber eine tragen: „Wenn es die Allgemeinheit nicht gut findet, dann wird’s meistens ein Trend“, davon ist Kaspar Frauenschuh überzeugt. Ein spitzbübisches Grinsen huscht über sein Gesicht.

Wenn es die Allgemeinheit nicht gut findet, dann wird’s meistens ein Trend!

Die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Zeit hat man nur, wenn man sie sich nimmt, sagt ein Sprichwort. Für die Entwicklung der Fleecejacke hat sich Kaspar Frauenschuh Zeit genommen. Die Ruhe, die es braucht, damit etwas Gutes entstehen kann, wird ein großer Wert in seinem Tun. „Immer eins nach dem anderen“ wird zum Grundsatz: Nach der Fleecejacke kommt die Skihose, die auch heute noch, nach knappen 15 Jahren, erfolgreich verkauft wird, dann die Walkjacke. Weitere Werte werden definiert: Natur, Familie, Heimat, Tradition, Berge, beste Materialien, Handarbeit. Warum er in Kitzbühel geblieben ist, obwohl er es sicher auch inTokyo, New York oder London zu etwas gebracht hätte, wird jetzt klar und deutlich. Alle Frauenschuh-Kreationen werden in Österreich in Handarbeit produziert, die Natur inspiriert und beruhigt gleichzeitig, und vor allem: Kitzbühel ist die Heimat des Designers und „bietet so viele Möglichkeiten: Im Sommer fahre ich Mountainbike, ich kann an den See gehen, es leben viele spannende Leute da mit denen ich mich austauschen kann.“ Der Kitzbüheler hätte expandieren, neue Läden eröffnen, bei Harrod’s oder Macy’s verkaufen können. Hat er aber nicht, weil er zu seinen Werten steht und nie in großen Kaufhäusern zu finden sein wird. Der Modernitätsverweigerer-Verdacht liegt nahe, aber ein Blick auf die Eigenkreationen und die Marketingmaßnahmen reicht aus um zu wissen, dass es keineswegs so ist: In den Kleidungsstücken verschmelzen modernste Technologien mit traditionellen, regionalen Materialien und wenn man „Frauenschuh“ googelt, landet man schnell auf der Website inklusive Blog, der Facebook-Page oder dem Instagram-Channel. Der Kreateur des „Kitzbüheler Looks“ nimmt sich nicht nur Zeit, er geht auch mit ihr. Und ist sich sehr darüber im Klaren, dass die Toleranzgrenze der Kunden heute immer niedriger wird - im Gegensatz zu den 70ern, als die Klientel wie selbstverständlich drei Monate lang auf Hotpants aus Paris gewartet hat. Daher gibt es seit 2011 nun auch einen Online-Shop. 

Die raffinierten Schnitte, die feinen Materialien, die Handarbeit – all das sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Kaspar Frauenschuh. Die Unbeirrtheit, mit der er seinen Weg gegangen ist. Das Wissen darum, dass die Kunden immer zu spät dran sind. Die Fähigkeit, mit diesem Wissen umzugehen. Aber das Wichtigste, die Basis allen Erfolgs, das Grundgerüst definiert er so: „Zu wissen, was die Seele eines Unternehmens ausmacht.“ Ein Ratschlag, den er jedem Jungunternehmer ans Herz legen würde, sagt Kaspar Frauenschuh und streicht nochmal über den weichen, hirschledernen Herrenmantel auf dem Arbeitstisch in dem Zimmer, in dem es dezent nach Leder duftet. 

Text: Martha Miklin // friendship.is
Fotos: Ian Ehm // friendship.is

22. April 2016

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