Die Geschichten

Das Leben Einer Legende

Ex-Weltklasse-Skifahrer Mathias Leitner fährt mit über 80 Jahren noch hervorragend Ski.

In den 50er-Jahren zählte er zum Kitzbüheler Wunderteam, ein Sextett, das die Rennen beinahe nach Belieben dominierte. Bei unserem Skitag auf der Streif erzählt er von Bäumen als „Fangnetze“ und welch ungewöhnliche Motivation es gelegentlich gab, noch schneller ins Tal zu kommen.

Wir treffen Mathias Leitner, wie könnte es anders sein, im Legendencafé in der Talstation der Hahnenkammbahn. Und wie um zu beweisen, dass er zu den im Namen des Cafés gemeinten Legenden zählt, umarmt ihn die Kellnerin als wir kurze Zeit später aufbrechen, lachend, und statt einer Rechnung gibt es ein „Passt schon, Hias!“. Am Weg zur Bahn stellen wir erstmals fest: Dieser Mann bewegt sich nicht wie ein 81-jähriger, auch Treppensteigen mit Skischuhen macht ihm keinerlei Probleme. Darauf werden wir noch zurückkommen.

„Wir haben eigentlich alles gewonnen“

1935 geboren, war Leitner in den 50er-Jahren Teil des legendären Kitzbüheler Ski-Wunderteams. „Wir haben damals eigentlich alles gewonnen“, erzählt Leitner, überlegt einen Moment und revidiert seine Aussage ein wenig. „Also, alles natürlich auch nicht. Aber schon viel.“ Wir, damit meint er sich und seine Kollegen Toni Sailer, Anderl Molterer, Ernst Hinterseer, Christian Pravda und Fritz Huber. Allesamt stammen sie aus Kitzbühel, weder davor noch danach hat es eine vergleichbare Generation gegeben. „Am meisten gewonnen haben natürlich der Toni und der Anderl“, erzählt Leitner. „Aber wenn die ausgelassen haben, waren wir halt auch noch da.“ Er selbst gewann beispielsweise die Arlberg-Kandahar-Slaloms in Sestriere, Rennen in Wengen und Madonna de Campiglio. 1960 holte er hinter Ernst Hinterseer die olympische Silbermedaille im Slalom.

Beim Einstieg in die Gondel der Hahnenkammbahn – übrigens die erste Seilbahn der Welt die explizit für den Skisport konzipiert wurde – erhalten wir den nächsten Beweis für Leitners Legendenstatus in Kitzbühel. „Natürlich! Für den Hias machen wir alles.“ lautet die Antwort auf unsere Frage, ob wir eine der 6er-Gondeln für uns haben können, da wir Fotos machen möchten. Apropos Foto: „Oben bei der Bergstation hängt ein tolles Foto von uns. Das wurde 1953 gemacht. Und ein neues hängt da auch noch“, erklärt Leitner. „Also neu ist es auch nicht mehr...das wurde 1980 gemacht.“

„Wenn du aufs Klo musstest, hast schauen müssen, dass du schnell unten bist.“

Dass Sporthelden – nicht nur heimische – in Kitzbühel einen besonderen Status genießen, sieht man an übrigens auch an den Gondeln: Jeder Kitzbühel-Sieger erhält eine Gondel mit seinem Namen drauf. Dass es keine „Hias Leitner-Gondel“ gibt, liegt nicht nur daran, dass es dieses Ritual erst seit dem Neubau der Bahn 1996 gibt, sondern auch daran, dass Leitner in „seinem Ort“ nie gewinnen konnte. Verbittert wirkt er deshalb aber nicht, es gab eben immer welche, die noch besser waren. In der Kombination schaffte er es zweimal „aufs Stockerl“, in der Abfahrt erreichte er einmal den vierten Rang. Dabei hatte er eine durchaus interessante Taktik, wie er uns – mittlerweile beim Starthaus angekommen – lachend erzählt: „Bei uns gab es noch gar kein Starthaus und keine Infrastruktur. Bei Wind und Wetter sind wir da im Freien rumgestanden. Und wenn du aufs Klo musstest, hast erst recht schauen müssen, dass du schnell unten bist.“ Gestenreich erzählt Leitner Anekdoten von früher, viele Details sind ihm im Gedächtnis geblieben.

Vieles hätte sich verändert seit seiner Zeit. „Der Steilhang war schon genauso steil wie heute, aber viel schmaler. Da bist du recht knapp an den Bäumen vorbei geschossen. Und Fangnetze gab es auch keine.“ erinnert er sich. „Zum Glück hatten die Bäume Äste bist fast zum Boden. Das war unser Naturfangnetz. Und sonst bist halt zwischen den Bäumen durchgekugelt.“

„Ich hab zu meinen Jungs immer gesagt: Jammert nicht!“

Nach seinem Karriereende arbeitete Leitner bis 1999 als Trainer beim Tiroler Skiverband und dem ÖSV. Er gilt als Förderer von späteren Superstars wie Leonhard Stock, Benjamin Raich oder Mario Matt, die gemeinsam insgesamt 23 Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften holten. Mittlerweile haben auch sie alle ihre Karriere beendet. Die Rennen verfolgt Leitner selbstverständlich trotzdem, besonders das norwegische Team gefällt ihm derzeit recht gut – auch weil diese nach schlechten Rennen keine Ausreden suchen würden. „Ich hab schon zu meinen Jungs immer gesagt: Jammert nicht, sondern stellt euch auf die Bedingungen ein. Dann seid ihr vorne dabei, weil die anderen noch mit Jammern beschäftigt sind.“

Die Liebe zum Skifahren hat das Leben von Leitner geprägt – bis heute: „Bei Schönwetter stehe ich eigentlich jeden Tag auf der Piste. Dann starte ich immer schon mit der ersten Gondel.“ Und wie schon zu Beginn erwähnt, sind wir schwer beeindruckt von der Fitness des 81-Jährigen. Äußerst geschmeidig zieht er seine Schwünge über die doch recht steilen Hänge der Streif, auch mit der Carving-Technik („Das hat mir gleich gefallen, da lehnst dich ein bisschen rein und ab geht’s.“) hat er sich bestens angefreundet. Als wir ihn fragen, ob er fürs Foto auch noch einmal kurz die Abfahrtshocke auspacken kann, lacht Leitner nur: „Sicher! Den Hang schaff’ ich in der Hocke grad auch noch.“

 

Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Heiko Mandl // friendship.is

19. Januar 2018

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