Die Geschichten

Der Heimliche Held Am Center Court

Er hat sein halbes Leben am Tennisplatz verbracht, ohne je gespielt zu haben. Doch die Stars respektieren seine Leistungen: Seit 33 Jahren ist Fritz Mitteregger Platzwart beim Tennisclub Kitzbühel.

Fritz Mitteregger steht in der Mitte des Center Courts in Kitzbühel. Es fällt ihm sichtlich schwer, für ein Portraitfoto ruhig stehen zu bleiben. Er ist es einfach nicht gewohnt, sich am Platz nicht zu bewegen. Von den Rängen rufen ein paar Jugendliche: „Bravo Fritz!“ und „Fritz ist der Beste!“ Mitteregger ist beliebt, er wird geschätzt. Im Anschluss an die Aufnahme schnappt er sich das Schleppnetz und dreht weiter seine Runden. In zwei Tagen beginnen die Generali Open, bis dahin muss der Platz in perfektem Zustand sein. Seit 33 Jahren ist das seine Aufgabe. Angesprochen auf die Bezeichnung „Platzwartlegende“ winkt er energisch ab. Legenden seien schließlich tot. 

Sie gelten als „heimlicher Held“. Wie wichtig ist die Aufgabe des Platzwarts?

Fritz Mitteregger: Wir hatten schon manchmal Wetterkapriolen, da sind wir nur so rumgeflitzt, damit alles funktioniert hat. Abdecken und aufdecken, rauf und runter – das muss ja alles perfekt laufen. Da freut man sich schon über die Wertschätzung. Dennoch sollte man sich selbst nicht zu wichtig nehmen.

Eigentlich ist der gelernte Konditor schon seit zwei Jahren in Pension, in den Wochen um das Turnier ist er jedoch nach wie vor ständig im Einsatz. Sitzend erlebt man ihn zu dieser Zeit selten, auch während unseres Gesprächs tigert er auf und ab. Zwölf, dreizehn Stunden dauern seine Tage, manchmal auch fünfzehn – je nachdem, was gerade zu tun ist.  

Wie wird man ein guter Platzwart?

Fritz Mitteregger: Es gibt keinen guten und keinen schlechten Platzwart. Es gibt nur solche, die gerne arbeiten und solche, die nicht gerne arbeiten. Wie ich hier angefangen habe, hab ich gedacht: Bist du deppert, hier werde ich nicht alt – aber irgendwie hat sich dann eine Leidenschaft entwickelt. Du musst dir alles selber aneignen, jeder Platz ist anders. Der eine liegt mehr im Schatten, der andere weniger. Ich bin auch drauf gekommen, dass bei der Bewässerung die Mondphasen extrem wichtig sind. Bei abnehmendem Mond geht alles durch, bei Vollmond gar nichts.

Mitteregger trägt Wollsocken – bei jedem Wetter. Was gegen die Kälte gut ist, ist bekanntlich auch gegen die Hitze gut. Mittlerweile hat er auch weiße, damit es ein bisschen zum Dresscode am Tennisplatz passt. Selber gespielt hat er jedoch nie und wird er auch nicht mehr, das sei etwas für die jungen Burschen. Vor seiner Tätigkeit als Platzwart hat ihn Tennis ohnehin nicht sonderlich interessiert, erst während der 33 Arbeitsjahre beim Tennisclub Kitzbühel ist er zum Fan geworden. 

Wie haben sich der Sport und das Turnier in den letzten drei Jahrzehnten verändert?

Fritz Mitteregger: Es gab eine Zeit, da war das ganze Drumherum hier in Kitzbühel fast wichtiger wie der Sport, das hat mir persönlich nicht so getaugt. Heute steht ganz klar wieder der Sport im Mittelpunkt – und da hat sich natürlich sehr viel getan. Früher sind die auf dem Platz rumgetrippelt, das waren ja eher Tänzer. Heute schmerzen mir schon beim Zusehen die Knie. Die Sportler sind unglaubliche Maschinen, liefern wahnsinnige Leistungen ab. Und da bietet Kitzbühel natürlich einen Rahmen, davon können andere Veranstalter nur träumen. Spitzensport in dieser Umgebung, vor dieser landschaftlichen Kulisse – das ist für Spieler und Zuschauer gleichermaßen ein Erlebnis.

In seiner kleinen Wohnung am Gelände des Tennisclubs, die er während des Turniers bewohnt, hängen unzählige Bilder. Sie zeigen Mitteregger mit Tennisgrößen wie Boris Becker, Pete Sampras oder Thomas Muster. Und sie zeigen, dass Mitteregger nicht nur von seinen Kollegen geschätzt wird. So lief etwa Thomas Muster bei seiner Ehrenrunde nach dem letzten Spiel zu ihm und verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung. Als seinen Lieblingsspieler nennt Mitteregger den mittlerweile zurückgetretenen Spanier Àlex Corretja. Er bezeichnet ihn als einen echten Sir, schätzte seine Höflichkeit und Dankbarkeit. Von einem anderen weiß er, dass er gerne einen Schuss Schnaps im Tee hatte. 

Du kennst viele Spieler, bist sehr nah am Geschehen – wie emotional verfolgst du die Spiele?  

Fritz Mitteregger: Thomas Muster hat immer gerne auf einem tiefen Platz gespielt, da hab ich natürlich geschaut, was ich machen kann. Früher hab ich mich extrem hinein gesteigert und mitgefiebert – wenn man jung ist denkt man da einfach noch ein bisschen anders. Heute seh‘ ich das gelassener: Die Burschen sollen spielen, und ich schau zu.

Tennisclub Kitzbühel

Interview: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Ian Ehm // friendship.is


 

11. August 2017

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