Die Geschichten

„Wenn Du Erfolg Hast, Ist Es Egal Womit“

Langweilt sich ein Skialpinist wie Axel Naglich, wenn er Häuser plant? Und wie viel Inszenierung steckt eigentlich in einer Extremsport-Dokumentation? 

„Wenn es gut geht, bist du ein Held. Wenn es schief geht, bist du tot.“ Die Worte von Axel Naglich im Film „Mount St. Elias“ erzeugen Gänsehaut. 2007 wagte der heute 47-jährige gemeinsam mit Peter Ressmann die Erstbefahrung des 5498 Meter hohen Berges in Alaska – die bis dato längste Skiabfahrt der Welt. Die daraus entstandene Filmdokumentation lockte tausende Menschen ins Kino. Wir treffen Axel Naglich zum Gespräch.

Axel Naglich zählt zu den bekanntesten Skialpinisten der Welt und hat es dennoch immer geschafft, den Blick auch über den vielzitierten „Tellerrand“ des Sports zu werfen. Er ist studierter Architekt und betreibt seit 16 Jahren ein Architekturbüro in Kitzbühel. Im Interview spricht er über den Sinn von Extremsport, Erfolgserlebnisse in einem „gewöhnlichen“ Beruf und warum er nicht versteht, wie man sein Berufsleben nur darauf auslegen kann, möglichst viel Geld zu verdienen. 

„Wenn es gut geht, bist du ein Held. Wenn es schief geht, bist du tot?“ Wie viel dramaturgische Inszenierung steckt in diesem Satz?

Sagen wir so: Als ich hier meine Sachen gepackt habe, saß ich hinten im Garten und habe plötzlich gedacht: Eigentlich ist die Chance gar nicht so gering, dass ich mich dabei umbringe. Wir mussten dann ja auch abbrechen, konnten gerade noch evakuiert werden und haben es erst beim zweiten Anlauf geschafft. Aus dramaturgischer Sicht kann man natürlich sagen: Wie das alles gelaufen ist, mit dem Sturm und so, das war schon gut. Wenn wir da hinkommen, es ist super Wetter, wir marschieren problemlos hoch und fahren dann runter –  daraus eine spannende Geschichte erzählen, na viel Spaß!

Der Sport, und speziell Extremsport, wird immer noch spektakulärer und somit gefährlicher, gleichzeitig aber auch immer heftiger kritisiert.

Das ist vielleicht auch eine Alterserscheinung, aber mittlerweile tu ich mir mit Extremsport – genauso wie mit Spitzensport – ein bisschen schwer. Ich will nicht zu kritisch sein, bis zu einem gewissen Punkt kann ich es verstehen, dann aber nicht mehr. Ich halte beispielsweise nicht viel davon, Sportarten zu kreieren, die ein normaler Mensch nicht lernen kann. Nehmen wir das Beispiel Freestyle-Motocross: Ein normaler Mensch hat zuhause kein Foam Pit (Anm. mit Schaumstoff gepolsterter Landebereich, um Sprünge zu üben), wo er den Backflip zuerst 100 Mal üben kann, der muss das im Dirt machen. Und gerade bei den ersten Versuchen ist die Chance groß, dass es schiefgeht. Aber selbst wenn du alles noch so gut im Griff hast: Irgendwann kommen drei blöde Zufälle zusammen und dann knallt’s. Da frag ich mich mittlerweile: Wozu?

Auch weil Sie mittlerweile Vater von zwei Kindern sind?  

Wenn ich ehrlich bin, hat das nicht nur mit der Familie zu tun, sondern einfach damit, dass ich keinen Sinn mehr darin sehe. Ich muss niemandem etwas beweisen und muss mich selbst nicht unbedingt im Fernsehen sehen. Irgendwann ist es genug, da langweilt dich das Ganze. Ich bereue überhaupt nichts, aber ich bin froh, dass ich mich nicht umgebracht hab. Außerdem finde ich es auch immer ein bisschen peinlich, wenn Sportler den Absprung verpassen und meinen, sie müssen mit 50 noch mit den 25-Jährigen mithalten. Aber das sind halt oft die, die sonst nichts gelernt haben.

Sie selber haben Architektur studiert – und nach 19 Semestern auch abgeschlossen. 

Man muss dazu sagen, dass ich vielleicht sechs oder sieben Semester wirklich studiert habe. Ich habe ein High-School-Team in Amerika trainiert, war Trainer in Argentinien und bin in Aspen fünf Mal bei einem 24h-Rennen mitgefahren. Und eine Event-Agentur haben wir auch mal gegründet. Das hatte natürlich alles wenig mit dem Studium zu tun. Wenn ich mich nur darauf konzentriert hätte, wäre ich ganz easy mit 25 fertig geworden und unser Büro würde heute vermutlich ganz anders aussehen. Trotzdem bin ich froh, dass ich das alles gemacht habe.

Heute sind Sie hauptsächlich als Architekt tätig. Ist Ihnen die Umstellung vom Extremsport auf einen „gewöhnlichen“ Beruf schwergefallen?

Unser Büro gibt es ja schon seit 16 Jahren, das lief lange parallel. Und ich bin ja nicht Architekt, weil ich unbedingt einen Job gebraucht habe, sondern weil mir das gefällt. Ich glaube, wenn du mit irgendetwas ein bisschen Erfolg hast, ist es egal, ob das jetzt Extremsport oder eben Architektur ist – es fühlt sich immer gleich an.

Was sind die Erfolgserlebnisse für einen Architekten?

Ich finde es extrem spannend, individuelle Lösungen zu finden. Wenn du einen Kunden hast, der sich darauf einlässt, sag ich immer: „Komm, denk doch mal anders! Du bist nicht wie ich, deshalb muss dein Haus anders aussehen.“ Wenn man das nicht macht, freut man sich über die eigenen vier Wände und nach ein paar Wochen kommt man drauf, dass die gleich aussehen wie die vom Nachbarn und eigentlich nix können. Beispielsweise hatte ein Freund von mir ein Grundstück mit einem tollen Blick auf den Wilden Kaiser. Um diesen in Szene zu setzen, hätte man jedoch die eine Dachhälfte verglasen müssen und das wollten wir aus klimatischen Gründen nicht. Jetzt hat er ein Zahnradsystem an der Wand und wenn man fünf Minuten kurbelt, öffnet sich das Dach. So etwas find ich geil.

Für manche Menschen bedeutet beruflicher Erfolg auch, viel Geld zu verdienen. 

Wenn jemand Geld so toll findet, dass er nur dafür arbeitet, dass sein Kontostand einmal sieben oder acht Stellen hat – bitte. Ich bezweifle allerdings, dass das so erfüllend ist. Ein Bekannter von mir hatte eine Firma in Deutschland mit 2000 Mitarbeitern, der hat nichts anderes mehr gemacht als gearbeitet. Mittlerweile hat er seine Firma verkauft, macht wieder Sport und „lebt“ einfach. Das habe ich immer gemacht, warum sollte ich mich davor zehn Jahre lang quälen? Ich würde nie wegen des Geldes 100h-Wochen schieben, ich sehe einfach keinen Sinn darin. Wenn es im Winter schön ist, will ich Schifahren gehen. Oder im Sommer eben Radfahren. Wenn ich keine Zeit mehr habe, schöne Dinge zu machen, wofür soll ich dann arbeiten?

Text: Matthias Köb // friendship.is
Fotos: Ian Ehm // friendship.is

22. April 2016

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