Die Geschichten

Alltag Am Arlberg

Ein Blick in das Leben einer dreiköpfigen Familie aus St. Anton: Die Eltern leben vom Freeriden und die Kleine freut sich auf den ersten Schultag.

Sollte man der Familie Häusl zufällig auf der Straße begegnen, wird man sie instinktiv beneiden und für keine typische Kleinfamilie halten. Zu legeres Auftreten für ein seriöses, alltägliches Leben. Zu gesund die Gesichtsfarbe der drei. Betrachtet man die Familie Häusl jedoch im Kontext St. Anton am Arlberg, versteht man ihr Auftreten und sieht eine für die Region eigentlich typische Familie. Naja, fast.

Geli ist staatlich geprüfte Skiführerin, ein Kind des Ortes, die ihren Gästen die verborgenen Schätze abseits der präparierten Pisten zeigt. Wovon es am Arlberg ja einige gibt. Stefan ist, und das kann man schon so sagen, Österreichs bekanntester Freeride Profi. Und Tochter Jana hat noch vor ihrem ersten Schultag mehr Skierfahrungen gemacht als viele Gäste des Ortes in ihrem ganzen Leben.

Was macht das Leben am Arlberg aus? Geli antwortet ziemlich enthusiastisch: “Es sind vielleicht nicht die höchsten Berge, die wir da haben, aber dafür sind es richtige Skiberge. Das macht den Arlberg für uns speziell.”

Es drängt sich geradezu auf, hier nachzufragen. Wie ist das Leben für eine Familie, deren Leben beruflich und privat so gut wie nur ums Skifahren kreist, deren Heimat eine der weltweit bekanntesten Skidestinationen ist und die Eltern, und das soll gar nicht protzig klingen, schon auf der ganzen Erde ihre Spuren in den Schnee gezogen haben? Mehrmals!

“Wir haben eine superlässige Zeit gemeinsam. Wir machen viel gemeinsam. Das ginge nicht, wenn einer geregelt von Montag bis Freitag arbeiten müsste”, sagt Geli.

Jana ist sechs Jahre alt. Im Winter beobachtet sie ihren Vater im Livestream bei Wettkämpfen; auf der großen Leinwand, wenn einer seiner Freeride Filme Premiere feiert; beim Frühstück und wenn er sie vom Kindergarten abholt um mit ihr am Nachmittag Skifahren zu gehen. Und das nicht nur bei Postkartenwetter. Jana erklärt, warum sie auch bei Nebel und Schneefall gerne draußen unterwegs ist. Ein nachvollziehbarer Ansatz: „Da sind nicht so viele Leute auf der Piste.“ Nachdem die Suche nach alpiner Einsamkeit auch die Freeride Community eint, liegt nahe, dass sie bald den tiefen Fußstapfen ihrer Eltern folgen wird.

Stefan ist seit Jahren eine konstante Größe auf der Freeride World Tour, der Königsklasse des wettkampfmäßigen Freeridesports. Für Außenstehende sieht das überdurchschnittlich gefährlich aus. Erst recht wenn ein Familienvater mit hoher Geschwindigkeit durch die felsdurchsetzten Hänge pflügt. Geli relativiert das trocken: "Stefan ist ja nicht dumm und springt irgendwo runter und will hin sein, mit oder ohne Kind.” 

Werden deine Aktivitäten als Job gesehen? Verstehen die Menschen, womit du dein Geld verdienst? “Die Gäste, und da gibt’s ja viele fanatische Gäste die jedes Wochenende aus München oder Zürich kommen, die verstehen was wir machen”, erklärt Stefan.

Der Skiclub Arlberg ist jener Verein unter dessen Auge bekannte Rennläufer und Rennläuferinnen noch bekannter und große Veranstaltungen zum sportlichen und wirtschaftlichen Netzwerken genutzt werden, um wiederum den Nachwuchs bestmögliche Trainingsvoraussetzungen zu ermöglichen. Schon in jungen Jahren werden die einheimischen Kinder mit den vielfältigen Aspekten des Skifahrens abseits der Pisten vertraut gemacht, sowohl technisch, als auch im Umgang mit alpinen Gefahren. Neben Stefan Häusl sind mit Nadine Wallner und Lorraine Huber auch die zwei bekanntesten österreichischen Freeskierinnen Mitglied im Skiclub Arlberg - Nadine war die erste österreichische Weltmeisterin im Freeriden. Noch ist der Weg zum Freeride Profi in St. Anton selbstorganisiert. “Es ist noch niemand hingegangen und hat gesagt ‘Ich will das übernehmen’.” Im Moment sind die einheimischen Profis wie Stefan oder Nadine selbst noch zu umtriebig und zu viel unterwegs. Aber zweifellos werden Freeridetalente auch in Zukunft professionell auf ihre Karriere vorbereitet werden.

Zurück im Haus der Häusls. Jana registriert, dass ihre Eltern öfters im Mittelpunkt stehen, sie setzt sich bei Autogrammstunden auch hin und wieder zu Stefan dazu und weiß, dass sie und ihre Freundinnen bei Filmpremieren spezielle Plätze haben. Wenn sie allerdings munter vor sich hin plaudert, merkt man schon, dass solche eigentlich ungewöhnlichen Skifahrerfamilien für St. Anton doch wieder sehr typisch sind und einem eigenen Arlberg Alltag nachgehen. 

Text: Stephan Skrobar // friendship.is
Fotos: David Carlier; David Payr // friendship.is

13. März 2017

Lesen Sie die Geschichten von