Die Geschichten

Familie Ist Ein Gutes Team

Wie die Leidenschaft eines 11-jährigen St. Antoners fürs Klettern die Familienbande stärkt.

Die Tatschls aus St. Anton sind eine lässige Familie. Ihr Enthusiasmus für den Sport steckt an, besonders aber ihre Ruhe, die sie als familiäre Einheit ausstrahlen. Das hat mitunter sehr viel mit der Leidenschaft des 11-jährigen Sohnes Moritz zu tun: dem Klettern. Warum das die Familie so eng zusammenschweißt, erzählen sie uns an einem Sonntagnachmittag an der Kletterwand.

Moritz Tatschl hängt gerade in der Kletterwand als wir im arl.rock Sport Park in St. Anton am Arlberg ankommen. Seine Eltern Meinhard und Manuela stehen einsatzbereit zur Seite und übernehmen die wichtige Aufgabe des Sicherns. Mühelos und sichtbar ohne Angst klettert Moritz die 7b Route - einen der oberen Schwierigkeitsgrade - auf der 19 Meter hohen Wand. 

Seine herzliche Art und das entspannte Lächeln hat der Blondschopf mit seinen himmelblauen Augen zweifellos von seinen Eltern. Was bei den Tatschls sofort angenehm auffällt, ist deren lockerer Umgang miteinander. Gegenseitiges Vertrauen wird hier groß geschrieben. Man spürt den positiven Einfluss, den die Passion des Sohnes für den Klettersport auf die Familie ausübt. So sehr, dass es auch auf ihren Hund Ari übergeht. Entspannt und im Wissen über die sonntägliche Routine der Tatschls liegt er ausgestreckt in der Sonne und blinzelt. 
Obwohl die Eltern ihren Sohn unterstützen wo sie können, verstehen sie um den feinen Unterschied zwischen fördern und fordern: „Wenn es um diese Frage geht, sind wir ständig am Tüfteln. Auch daran, wie man damit umgeht wenn man merkt, dass das eigene Kind die Freude und das Talent für so eine Sache hat.“

Der Grund, warum Moritz zum Klettern kam ist aber ein ganz anderer als man sich denken würde. Er führt zurück als Moritz noch ein Baby war. Schon damals zeigte sich der Ehrgeiz des heute 11-jährigen: „Er ist nämlich vom Sitzen gleich aufgestanden und hat das Krabbeln übersprungen“, erzählt Manuela Tatschl. Aber, so hat ihre damalige Kinderärztin erklärt, Babies müssen krabbeln, um jene Synapsen im Gehirn zu verbinden, die die Links-Rechts und die Arm-Bein Koordination steuern. Auf den Hinweis der Kinderärztin, dass Klettern dafür einen guten Ausgleich biete, haben Moritz’ Eltern mit ihm in frühen Jahren spielerisch damit angefangen, bis er dann von selbst seine Begeisterung dafür entdeckte.

Selbstvertrauen kommt nicht von alleine

Was am jungen Moritz besonders imponiert ist die Verständlichkeit mit der er über eigentlich komplexe Dinge wie Selbstvertrauen redet. Obwohl - oder vielleicht gerade weil ihm die Lebenserfahrung noch fehlt - hat er diesbezüglich eine ungefärbte Wahrnehmung, die ihn ungezwungen und offen macht. Eigenschaften, die man sich als Erwachsener wieder oft mühsam anerziehen muss.
„Moritz ist sehr bedacht. Er macht nichts, was er nicht unter Kontrolle hat und erkennt genau wo seine Grenzen sind“, erzählt Manuela. „Das beruhigt mich als Mutter, weil ich weiß, dass er das macht, was für ihn sicher ist. Er hat das Gespür dafür.“ Dennoch, gibt sie zu, ist es ein Balanceakt, wie ihn viele Mütter und Erwachsene kennen: loszulassen und dennoch Sicherheit zu vermitteln. 

Es sind vor allem die Wettkämpfe, durch die sich Moritz in Eigenregie viel Selbstvertrauen antrainiert. „Man sieht, wie die Kinder mitwachsen, das gibt ihm unwahrscheinlich viel geistigen Auftrieb“, sagt Manuela Tatschl. So hat sich der junge Kletterer in den österreichischen U12-Staatsmeisterschaften bis auf den dritten Platz vorgearbeitet. 
Mit Moritz wachsen auch Meinhard und Manuela mit. „Die Wertigkeit hat sich auch für uns als Eltern verändert. Oft können wir Moritz nicht mehr weiterhelfen und sagen, wie er zu tun hat, weil er sich einfach besser auskennt. Das gibt ihm als Kind auf einmal eine höhere Rangordnung und man muss es akzeptieren, wenn man gesagt bekommt, Mama, da kannst du nicht mitreden”, schmunzelt Manuela Tatschl. „Das ist einfach so.“

Natur als zweites Wohnzimmer 

Für Vater Meinhard Tatschl, den begeisterten Radfahrer und Vertrauenstrainer der Olympiameisterin Anna Fenninger, war es schon immer der Traum, in St. Anton zu leben. Vor 12 Jahren ist er mit seiner Familie hierhergezogen und genießt die wenige gemeinsame Zeit, denn er ist als Trainer fast 200 Tage im Jahr unterwegs. 
So kümmert sich Manuela Tatschl aktiv um die Kletterleidenschaft von Moritz sowie um die Jugendförderung in St. Anton. „Gemeinsam mit dem Alpenverein-Sektion Landeck haben wir ein Kletterteam auf die Beine gestellt, das mittlerweile 50 begeisterte Jungkletterer umfasst, vom Hobbykletterer bis zum Kadermitglied.“ Auch ergeben sich interessante Freundschaften mit anderen Familien und deren Kletterkindern. 
„Wir wohnen gerne hier. In St. Anton trifft man so viele verschiedene Leute, das mögen wir sehr“, sagt Manuela Tatschl. „Deshalb ist unser Freundeskreis international.“

Die Natur ist für die Tatschls ihr „zweites Wohnzimmer“. „Obwohl mein Mann nicht aktiv klettert und ich Hobbykletterin bin, passt es für uns als Sportart und wir haben befunden, dass es uns als Familie zusammenbringt. Moritz ist in dieser Hinsicht das Leitpferd, er braucht uns und wir ihn.“ 
In ihrer Freizeit erkunden die Tatschls gemeinsam die verschiedenen Klettergärten rund um St. Anton. Eine schöne Art, „die Natur und die Familie aus einem anderen Blickwinkel zu erleben“, sagt Manuela Tatschl.
„Wir nehmen den Hund mit und eine Jause, sind oft den ganzen Tag draußen. Da kommt bei uns jeder auf seine Kosten.“

Word-Rap mit Moritz Tatschl

Angst?

Nein, Angst habe ich keine.

Bist du ein Wettkampftyp?

Schon, denn es geht um was.

Selbstvertrauen?

Das kommt nicht von alleine, ich habe gelernt, mir zu vertrauen. 

Dein Ziel?

So schnell wie möglich hinaufkommen ohne dass ich Pause mache.

Vorstieg oder Nachstieg?

Vorstieg. 

Warum?

Weil es einem das Gefühl gibt, der Erste zu sein, der hinaufklettert. 
(Im Nachstieg ist das Seil für einen ja schon eingehängt.)

Dein Vorbild?

David Lama, weil er cool klettert.

Text: Sandra Pfeifer 
Fotos: David Payr // friendship.is

8. Juli 2016

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