Die Geschichten

Vom Reiz, Sich Selbst Zu Übertreffen

Der Reiz der Herausforderung hält die begeisterten Radrennfahrer des ARLBERG Giros in St. Anton am Arlberg in ihrem Sattel.

Der ARLBERG Giro ist für viele ambitionierte Sportler ein Fixpunkt im Rennkalender des Alpenraumes. Dabei kommt man nicht nur wegen der landschaftlich faszinierenden Strecke auf seine Kosten. Was die begeisterten Radfahrer nach St. Anton am Arlberg lockt ist auch der Reiz, die persönlichen Limits zu erweitern.

Es ist kurz vor sechs Uhr morgens in St. Anton am Arlberg. Noch verstecken sich die Berge in der Dunkelheit. Mitten im Ort herrscht jedoch große Aufregung, denn in wenigen Minuten fällt der Startschuss zum ARLBERG Giro.

Man spürt den Nervenkitzel, Konzentration ist angesagt. Die Reifen werden noch ein letztes Mal überprüft. Ein Paar in voller Radmontur gleich hinter der Startlinie nimmt sich noch einen Moment für einen flüchtigen Kuss bevor es los geht.

 

Auch einige Damen sind am Start: Esther van Veen etwa, die in Holland mit dem Frauen-Elite-Team radelt. Hier in St. Anton ist sie zum ersten Mal dabei. Sie freut sich schon auf die Tour und die abwechslungsreiche Landschaft. Man lässt sich gerne mitreißen von der Stimmung und der Leidenschaft der vielen Teilnehmer.

Ausklinken aus dem Alltag

Ein paar letzte Teilnehmer schwingen ihre Räder über die Absperrung, man geht auf Position, das Klicken der Pedale geht durch die Reihen. Und der Startschuss fällt für die erste von vier Staffeln.

Die malerische 148 Kilometer lange Strecke zieht sich gleich als Erstes über den auf 1804 Metern gelegenen Arlbergpass, dann durch das wunderschöne Montafon, die Bielerhöhe auf 2032 Meter, mit Blick über den Silvretta-Stausee weiter durch das weite Paznauntal und über Ischgl und Pians, einer ursprünglichen Römersiedlung, wieder zurück nach St. Anton am Arlberg.

„Man braucht eine gute Selbsteinschätzung um seine Staffel zu bestimmen”, sagt Lukas Salzer aus Niederösterreich, der die Route bereits kennt. Für ihn ist die persönliche Leistung am wichtigsten, die Strecke bis zum Ziel zu fahren. 
Eine besondere Herausforderung ist der sogenannte Kaltstart: „Hier, bei diesem Rennen, setzt du dich auf das Rad, fährst einen Kilometer durch den Ort und dann beginnt gleich der Aufstieg, das ist schon gewaltig”, sagt Jaroslaw Kardasch aus Schlesien. Der Amateurradfahrer und Berufsfotograf ist zum vierten Mal mit dabei. „Das Rennen ist von der Länge her optimal – da hat man immer noch Zeit, etwas von der Landschaft zu sehen und der Weg ist nicht zu hoch angelegt. Das ist für einen Flachländer wie mich sehr wichtig”, schmunzelt er. „Ich brauche schon mal 40 Kilometer, erst dann kriege ich richtig Tritt.”

Der schwierigste Teil beim ARLBERG Giro ist für ihn die frühe Tagwache um vier Uhr. Seine Leidenschaft für den Radsport liegt jedoch klar auf der Hand: „Wenn ich drei Tage nicht gefahren bin, dann fängt es bei mir zu kribbeln an und ich muss mich für mindestens 60 Kilometer aufs Rad setzen.“ Fahrradfahren ist allerdings ein sehr zeitaufwendiges Hobby, Begeisterung und Ausdauer für lange Trainingsstunden sind Voraussetzung. 

„Einfach tun und es genießen“

Was aber sind die Herausforderungen bei einem Rennen wie dem ARLBERG Giro? „Nun, beim Hinauffahren ist es die Kondition, denn man muss sein Eigengewicht nach oben bringen.” Beim Hinunterfahren kommt dann die Technik ins Spiel. Und auch ein wenig die Angst. „Man muss loslassen und nicht denken, dass man in die Kurven nicht reinkommt, ansonsten fliegt man. Einfach tun und das Ganze genießen”, sagt Jaroslaw Kardasch.

Sein persönliches Ziel für dieses Rennen? 12 Minuten schneller zu sein als beim letzten Mal: „Man soll sich immer einer neuen Herausforderung stellen, denn wenn man kein Ziel hat, ist das Leben langweilig.” Durch die Beschäftigung mit dem Sport und den eigenen Grenzen tun sich auch im Leben neue Perspektiven auf. So hat Jaroslaw Kardasch gelernt, viele Dinge bewusst auszuklammern, die ihm die Kraft für den Sport nehmen -  Fernsehen zum Beispiel. Was er am Fahrradfahren besonders schätzt, ist das Ausklinken aus dem Alltag: „Man kann in der ersten Fahrstunde sehr gut entstressen, seine Probleme überdenken, danach hat man keine mehr.” Und dafür bieten die Berge um St. Anton am Arlberg eine perfekte Kulisse.

Text: Sandra Pfeifer
Fotos: David Payr // friendship.is

9. Dezember 2016

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