Die Geschichten

Milena Oder Die Liebe Zum Kochen

Von einer, die auszog um ihre eigene Küche zu finden.

Milena Broger kann sich glücklich schätzen. Sie hat nicht nur frühzeitig ihre Liebe für das Kochen erkannt, sondern darüberhinaus ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. „Eigentlich kann ich da gar nichts dafür. Kochen und Essen haben in unserer Familie einfach schon immer eine große Rolle gespielt.“ erklärt die 24-jährige Köchin aus dem Bregenzerwald. Aufgewachsen in Hittisau fiel ihr mit 13 Jahren ein Kochbuch ihres Vaters in die Hände – ein Erlebnis, das Milenas Leben fortan entscheidend prägen sollte. Fasziniert von schönen Bildern der noch schöneren Gerichte wurde aus anfänglicher Neugierde schnell lebenserfüllende Begeisterung für eine existenzielle Aufgabe: das Kochen. „Jeder Mensch muss schließlich essen, und ohne Kochen kein Essen“. 

Milena liebt es sich voll und ganz im Moment zu verlieren und nicht an morgen, übermorgen oder gar gestern denken zu müssen. Diese Lebensphilosophie kommt nicht von ungefähr: Intensive und ausgedehnte Reisen durch die Küchen Japans und Taiwans haben Milena geprägt und inspiriert: „Dieses Gefühl nur an heute zu denken möchte ich unbedingt festigen und mich auch in Zukunft nicht davon abbringen lassen.“ Das Reisen spielt hierbei eine wichtige Rolle: Hier kann sie sich voll und ganz auf ihr Handwerk konzentrieren und sich selbst auferlegtem Druck sowie Erwartungen von außen entziehen. Reisen erlaubt ihr, sich als Köchin neu zu entdecken und zwischen den Wünschen ihres Umfelds und ihren eigenen Träumen zu differenzieren. Vor ihrem ersten Asien-Aufenthalt dachte die junge Köchin sie müsse sich auf klassischem Wege in der Küchenhierarchie hocharbeiten, um vielleicht irgendwann ihre eigenen Vorstellungen des Kochens umzusetzen. Doch in anderen (Küchen-)Kulturen konnte sie erleben, dass es auch ganz andere Herangehensweisen gibt, und so schwimmt Milena seither fröhlich gegen den Strom und legt mal hier und dort an, immer auf der Suche nach ihrer ganz persönlichen Küche.

Ein Weg, dem Milena gefolgt ist und der sie nun wieder zurück nach Österreich geführt hat. Genauer genommen ins „Klösterle“ in Lech am Arlberg. Das renommierte Restaurant befindet sich, gut versteckt am Ende der alten Mautstrasse nach Zug, in einem der wenigen original erhaltenen Walserhäuser in der Gegend. Weltbekannt ist das Klösterle für sein einmaliges Fondue und seine grosses pièces (grosse pièce: großes Fleischgericht, das in der klassischen Menüabfolge nach dem Fisch gereicht wird, Anm.). Für Milena ist ihr aktueller Wohn- und Arbeitsplatz der optimale Nährboden für ihre berufliche Entwicklung. Als ein Mensch der Herausforderungen nicht aus dem Weg geht, versucht die junge Köchin die traditionellen Wünsche und Erwartungen der Hausgäste nicht nur zu erfüllen, sondern möglichst zu übertreffen. Wohlgemerkt eine Herausforderung auf Zeit, die sie aber dankend angenommen hat. „Das Angebot, Küchenchefin zu sein und für vier Monate die volle Verantwortung zu tragen, hat mich schon sehr gereizt“, gibt sie zu. Darüber hinaus kann sie hier Handgriffe zur Routine werden lassen und Zeitabläufe perfektionieren - und Raum für kulinarische Experimente schaffen. Milenas Offenheit in Bezug auf die Verarbeitung lokaler Produkte spiegelt sich in der Karte des Klösterle wieder: Passend zur Jahreszeit gibt es etwa Gamstascherl aus Strudelteig oder geräucherte Riebelgriesschnitten, Zuger Forelle mit Grünkohl oder ein Roggenkoch (Risotto auf Roggenbasis) mit Bergkäse, hausgemachtem Sauerrahm und gekochter Kalbszunge. Den süßen Abschluss bilden zum Beispiel mit Sig (karamellisierter Molke) gefüllte Topfenknödel oder herzhafte Polsterzipfel mit Honigeis und Heusahne. Uralte Zutaten eben, von Milena erfrischend modern zu neuen Gerichten interpretiert. 

So wichtig der Austausch mit anderen Küchen und Kulturen für die junge Vorarlbergerin auch ist, so sehr ist sie sich auch ihrer Herkunft und Wurzeln bewusst. In Milenas Augen treten in unserer schnelllebigen Gesellschaft auch in der Küche Traditionen und Gewohnheiten in den Hintergrund, während Rohstoffe und Produkte aus aller Herren Länder importiert werden. Für ihre Gerichte tritt Milena also gerne einen Schritt zurück und wirft einen Blick in die Vergangenheit. Sich mit uralten Rezepten zu beschäftigen, die sich naturgemäß meist auf heimische Zutaten beschränken, sagt der Vorarlbergerin weit mehr zu „als Gemüse zu verarbeiten, das auf unserem Boden niemals wachsen würde“. Die traditionelle Art des Kochens nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist für die Jungköchin für ein Stück weit berufliche Aufgabe. Trotzdem breche sie Traditionen gerne auf, denn „es muss auch nicht immer so gekocht werden, wie es früher gemacht wurde.“ 

Dank ihrer Offenheit und lockeren Art hat sich Milena in der Welt der Kulinarik schnell zurechtgefunden, und auch geschlechterbedingte Spannungsverhältnisse, wie sie auch in den Küchen vieler Betriebe vorkommen, konnten ihr nicht viel anhaben. „Natürlich ist die Kochwelt von Männern dominiert“, sagt die sympathische Köchin, sieht das aber eher als zusätzlichen Ansporn. Nicht nur ein Mal wurde ihr Verständnis und Können von männlichen Kollegen unterschätzt, aber Milena ist und bleibt eine Teamplayerin, die ebenso gerne mit Männern wie mit Frauen arbeitet. Gerade für den abschließenden Vorgang des Telleranrichtens ist sie oft auf hilfreiche Hände angewiesen, erzählt sie lachend: „Mir fehlt da einfach die Geduld.“

Fräulein Broger lebt für das Kochen und möchte ihre Küche in die weite Welt hinaus tragen, um ein Bewusstsein für die handwerkliche Seite ihres Berufes zu schaffen - und für das, was auf dem Teller landet. Ganz gleich ob als Hobby oder Beruf, Kochen ist ihr
Anker und ihr Ruhepol. So sollte Kochen ihrer Meinung nach auch wahrgenommen werden, nicht als „zusätzlicher Stressfaktor im alltäglichen Leben“. Und so tankt Milena Energie im Klösterle. Bis es im nächsten Sommer wieder hinausgeht in die weite Welt. Seit

Dezember 2019 leiten Jakob Zeller und Ethel Hoon das Restaurant Klösterle in Zug.

www.almhof.at | www.milenabroger.com

Text: Robert Maruna // friendship.is
Fotos: Florian Lechner // friendship.is

29. April 2020

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