Die Geschichten

Die Attraktiven Rundungen Der Natur

Schauspieler Michael Walde-Berger über seinen bekannten Kitzbüheler Maler-Großvater.

Spaziert man durch Kitzbühel, fallen einem rasch die freundlichen pastellfarbenen Häuser auf, die den Ortskern säumen. Diese haben sich seit den 1930ern nicht verändert und werden es wohl auch in Zukunft nicht, denn sie sind ein Teil des kulturellen Erbes von Alfons Walde. Die Rede ist vom bekannten heimischen Maler und Architekten, dem man nachsagt, er habe Kitzbühel erfunden.

„Ich kenn’ so viele Menschen, die, wenn sie auf Skitouren gehen, sagen ‚heut‘ war wieder ein Walde-Schnee und ein Walde-Himmel’”, erzählt Schauspieler Michael Walde-Berger über den Effekt der Bilder seines Großvaters, als wir uns am Kirchparkplatz in Kitzbühel treffen. 
Nicht zu Unrecht kann man den noblen Skiort als Walde-Land bezeichnen: Das bekannte Kitzbüheler Logo – die Gams in elegantem Rot –, entworfen 1931 für den Skiverein, stammt ebenso von Alfons Walde wie die Bergbahnstation zum legendären Hahnenkamm. Als Kulturreferent war er mitunter für die Vorgaben bezüglich der Farbgestaltung der Häuser in der Ortsmitte verantwortlich, die noch immer Gültigkeit hat. Obwohl er eigentlich ausgebildeter Architekt war, verdiente er seinen Lebensunterhalt mit dem Malen von Landschaftsbildern, in denen er in verschiedensten Perspektiven den Reiz der Kitzbüheler Alpen einfing – von den heimischen Bauern am Feld bis zu den skifahrenden Wintergästen.

Einige von ihnen waren auch zu seinen berüchtigten Parties eingeladen. „Dort oben, in seinem Atelier”, so Michael Walde-Berger und zeigt auf ein gelbes Haus, von dem aus sich sein Großvater auch der gegenüberliegenden Kirche als oftmaliges Motiv bediente. Sein Enkel amüsiert sich über den durch den Großvater wohl bewusst gelebten Widerspruch, die Lust an Kunst und Sex inmitten eines katholisch-konservativen Umfeldes zu zelebrieren. Vielleicht aber hat genau das seinem künstlerischen Schaffen Ansporn gegeben. Der Maler war bekannt dafür, dass ihn weibliche Rundungen mindestens genauso stark anzogen wie jene der alpinen Landschaft. Neben schneeverhangenen Bergen waren Frauen sein liebstes Sujet, wenngleich seine erste Akt-Ausstellung in den 1920ern von den Kritikern geradezu zerrissen wurde.

Das Darstellen von Wahrhaftigkeit

Was sich Enkel und Großvater teilen, ist eine tiefe emotionale Bindung zum Land. Aufgewachsen in Kitzbühel als der 1891 geborene Sohn eines Schuldirektors, arbeitete sich Alfons Walde durch Talent und gesellschaftliches Geschick hoch. „Was mich mit dem Großvater verbindet, ist die Suche nach der Wahrhaftigkeit. Und deren Verwirklichung in der Kunst.“ In Waldes Bildern zeigt sich diese im Spiel mit Licht, Perspektive und Tiefe und den fast nicht existenten Gesichtern seiner Protagonisten. 
„Wenn ich mich für eine Rolle vorbereite, konzentriere ich mich auch auf meine festgelegten Akzente, die mir wichtig erscheinen. Der Rest entwickelt sich durch die Fantasie des Zuschauers“, schildert Walde-Berger seine Erfahrungen an der Lee-Strasberg-Schule im New York der 1980er. Deren Grundphilosophie: natürliches Schauspiel. „Gute Schauspielerei nährt sich von wahrhaften Gefühlen. Genauso wie mein Großvater mit seiner Malerei will ich meine Berufung durch mich, in mir, in aller Echtheit spüren.“

Alfons Walde war ebenso zweifellos ein guter Geschäftsmann, denn er wusste, wie sich seine Bilder am besten verkauften. Dazu setzte er gerne seine Fantasie ein und verrückte immer wieder auch einmal einen Berg, um seine Vorstellungen auf der Leinwand zu verwirklichen. Seine Bilder geben dem Betrachter ein erhabenes Gefühl, das mitunter auf die Vorliebe des Künstlers, aus der Vogelperspektive zu malen, zurückzuführen ist. „Die verschiedenen Blautöne des Himmels. Die Nuancen des Schnees... Ich glaube, da hat er vielen Leuten aus der Seele gesprochen“, resümiert Michael Walde-Berger.

In Kitzbühel zuhause

Nach Abschluss der Technischen Hochschule in Wien und seinem Militärdienst im Ersten Weltkrieg zog es Alfons Walde wieder in seine Heimat. Trotz Verbindungen zu Künstlern wie Klimt und Schiele, deren Einflüsse sich in seinen Arbeiten wiederfinden, fand er fernab der Stadt seine ganz persönliche Freiheit. In Kitzbühel konnte er “sein Ding durchziehen, denn er war nicht jemand, der sich anpasste”. So hatte er neben seinem Atelier auch eine Hütte am Hahnenkamm, wo er malte und im Namen der Kunst mit sexueller Offenheit experimentierte, dokumentiert anhand einer Vielzahl von Fotos, die sich in Waldes Nachlass befinden.
Ein gelangweilter Künstler wäre mit Sicherheit ein schlechter Künstler, und so steht hinter Waldes Wirken seine (Lebens-)Lust als treibende Kreativkraft, aus der er endlos Inspiration schöpfte, sowie seine Faszination für den Formenreichtum der Frau, den er in der Natur wiedererkannte. Waldes Gemälde wie Bauernsonntag oder Aufstieg der Skifahrer werden mittlerweile im sechsstelligen Bereich dotiert. „Sein Konzept der freien Liebe ging allerdings nicht ganz auf”, schmunzelt Walde-Berger, „er war dreimal verheiratet.”

Obwohl die Bretter der internationalen Bühne locken, zieht es auch Michael Walde-Berger immer wieder nach Kitzbühel. 
„Das hier war meine Kindheit … da unten die Pfarrau, dort haben wir als Kinder gespielt, Erdbeeren vom Bauern gestohlen bis er uns mit der Schrotflinte gejagt hat. Es war das Paradies“, lacht Walde-Berger. Dadurch entstand für ihn vor allem ein Bezug zu den Menschen – „das Verbindliche, was man im ersten Augenblick nicht wahrnimmt, weil man das mondäne Kitzbühel sieht“.

„Es tut mir sehr leid, dass ich ihn nicht gekannt habe“, sagt der Schauspieler über seinen Großvater, mit dem er durch seine vielen Tagebücher, Briefe und Witzesammlungen posthum vertraut wurde. „Das liest man und man fühlt sich verwandt, weil man den Schmäh kennt. Er war aber auch ein sehr kritischer Mensch. Ich glaube, wir hätten eine großartige Zeit miteinander gehabt...“
Auch wenn es der Schauspieler als Riesenglück empfindet, in eine Künstlerfamilie hineingeboren zu sein, „kann man letztendlich nur auf das stolz sein, was man selber leistet. Das Schöne am Vermächtnis meines Großvaters ist das Ideelle, denn in seiner Arbeit stecken auch unglaublich viele innere Werte.“

Text: Sandra Pfeifer // friendship.is
Fotos: Dona Grafik Design; Heiko Mandl // friendship.is

6. April 2017

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