Die Geschichten

Mehr Als Ein Element

Wenn das Leben in den Bergen zum Beruf wird, sind dem kreativen Geist keine Grenzen gesetzt. Manfred Hofer hat über den Berg geblickt und erkannt, dass eine Skischule heutzutage mehr als bloß eine Skischule sein darf.

Zunächst scheint alles wie gewohnt. Ein Skilehrer in einem Wintersportort ist schließlich keine Seltenheit: Der blauweiße Skianzug, der lockere Gang, die braungebrannte Haut und das immerwährende Lächeln im Gesicht passen ins Bild: So sieht ein Mensch aus, der die Hälfte seiner Zeit in den Bergen verbringt. Manfred Hofer ist Skischulleiter von element3 und entspricht auf den ersten Blick jeder klischeehaften Vorstellung eines Skilehrers. Aber eben nur auf den ersten Blick: Der 44-jährige Tiroler ist in diesem Beruf ein Quereinsteiger - und element3 alles andere als eine übliche Skischule.

Wir treffen Manfred auf der Ochsalm im Skigebiet Kitzbühel. Der Wind treibt die Schneeflocken fast waagrecht vor sich her und die Temperaturen liegen bei -15 Grad Celsius. Mit großer Selbstverständlichkeit zieht er seine Handschuhe aus, um uns zur Begrüßung die Hand zu schütteln. Eine an sich alltägliche Geste, die aufgrund der widrigen Bedingungen aber an Ausdruck und Bedeutung gewinnt. Wir wechseln ein paar Worte und beschließen, gemeinsam ein paar Schwünge durch den frischen Pulverschnee im angrenzenden Wald zu ziehen. Aus ein paar Schwüngen werden viele Abfahrten und aus wenigen Worten lange Gespräche auf dem Sessellift nach oben. Schließlich treibt uns die Kälte aber doch ins Warme und wir kehren in der Seidlalm ein.

„Skifahren wurde uns in die Wiege gelegt“

Aufgewachsen in Kitzbühel, umringt von Bergen, war es für Manfred „als Kind einfach nur logisch Ski zu fahren“. Der Hang hinter dem Haus wird zur Abfahrtsstrecke, die Haselnussstauden werden als Torstangen und die Langlaufski zum Skispringen benutzt: „Wir haben einfach alles probiert, was es damals so gab.“ Ebenso logisch, dass er in jungen Jahren bei den ersten Rennen startet, zuerst mit Skiern, später auf dem Snowboard. So weit, so klar. Schließlich entdeckt Manfred das Paragleiten für sich, „das war damals total neu und unbekannt“. Schnell entwickelt sich das Fliegen vom Hahnenkamm zur Leidenschaft und „weil keiner von uns in einem Hotel arbeiten wollte“, wird die Idee, eine Tandemschule, eine der ersten in Österreich übrigens, zu gründen, mit Freunden in die Tat umgesetzt. Am Anfang war schließlich die Luft. In den Folgejahren wird das Angebot auf Canyoning- und Raftingtouren, also um das Element Wasser, erweitert. Und schließlich kam die Erde in Form von Bergsteigen und Klettern hinzu. Und so entstand element3. „Von Skischule war da aber noch lang keine Rede“, erzählt Manfred.

Aber vorerst zurück in die Seidlalm: Die Hütte am Hahnenkamm ist ein Bilderbuchbeispiel dafür, dass Tradition und Moderne harmonisch miteinander verschmelzen können. Das alte Holz der Stube erinnert an die Handwerkskunst einer fast vergessenen Zeit, während das restliche Interieur mit erfrischend moderner Einrichtung begeistert. Die geschichtsträchtige Alm wurde vor zwei Jahren von drei jungen Frauen neu übernommen. Isabella Kortschak ist eine von ihnen. Neben ihrer buchhalterischen Tätigkeit auf der Seidlalm zeichnet sie sich auch für die Leitung einer Event- und Incentive-Agentur im Tal verantwortlich: element3. „Die Agentur haben wir 2004 gegründet“, erzählt Manfred während er an seinem Espresso nippt, „und vor zehn Jahren kam dann der letzte Baustein hinzu: die Skischule.“ Für Manfred und sein Team war von Beginn an klar, dass ein touristischer Betrieb nur dann sinnvoll sein kann, wenn „wir ein ganzjähriges Angebot bieten können“. Und dieser Prämisse sind sie bis heute treu geblieben.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch in der Vernetzung mit dem Kitzbüheler Umfeld. Das Geschäftsmodell funktioniert auf mehreren Ebenen, sowohl hinter Skischule und Agentur als auch dem Outdoorbereich stehen Einzelfirmen, die wiederum auf die Ressourcen der anderen zugreifen können. Zudem kann man auf die Unterstützung von starken Partnern wie beispielsweise Audi zählen. So umfasst die Skischule heute mehr als 150 Mitarbeiter, wobei ein Teil von ihnen kurzfristig für Veranstaltungen eingesetzt wird. Dies hat nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern es kann dadurch „flexibel und kurzfristig auf die Wünsche und Anliegen der Kunden eingegangen werden.“ Über allem steht aber Qualität, das oberste Kriterium bei element3. Deshalb finden sich in keinem Kinderschulskikurs mehr als sechs Kinder pro Gruppe – eine absolute Neuheit in der Welt des Skischulwesens. Mit dem Projekt „Sicherheit am Berg“, das Aufklärung über die alpinen Gefahren abseits der Piste vermitteln soll, möchte Hofer vor allem SchülerInnen und Jugendliche ansprechen. „Es ging mir darum, nicht mit dem Zeigefinger auf die jungen Menschen zuzugehen, sondern sie für die Gefahren beim Freeriden zu sensibilisieren“, so Manfred, selbst Vater zweier Kinder.

Mittlerweile ist es später Nachmittag und wir verlassen die Seidlalm. Der Schneefall hat sich beruhigt und die letzten Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die zuvor dichte Wolkendecke. Für einen kurzen Moment zeigt sich der Gebirgsstock des Wilden Kaisers im kitschigen Abendrot. Wir genießen den Moment, ein kurzes Lächeln sagt mehr als viele Worte. Und so biegen wir wortlos in den Wald ab, um die letzten Schwünge im trockenen Powder zurück nach Kitzbühel zu ziehen.

element 3 Kitzbühel

Text: Robert Maruna // friendship.is
Photos: Heiko Mandl // friendship.is

22. November 2018

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